Wo die blauen Gipfel ragen, lockt so mancher steile Pfad: Von Hütte zu Hütte

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Von El Bolson aus habe ich mir eine mehrtägige Wanderung herausgesucht: Hinauf zum Hielo Azul (einem Gletscher) und anschliessend hinüber zum Cajon Azul (wörtlich „blaue Kiste“ – d.h. eine Art Klamm).

Die Logistik war mal wieder herausfordernd. Am Vortag war sämtlichen Geldautomaten des Ortes das Geld ausgegangen – ich hatte mich schon gefreut, dass es ausnahmsweise mal keine Schlangen vorm ATM gab….Na gut, wenn ich sparsam bin, dann könnte mein Bargeld gerade noch reichen…

Es gibt nur einen Bus täglich, der zu dem 15 km entfernten Ausgangspunkt fährt. Morgens um 8 vom Ortszentrum aus. Deswegen habe ich mir schon am Abend vorher ein Ruftaxi organisiert, da ich keine Lust hatte die 3 km so früh zu laufen. Bestellt für 7:30 Uhr und Haby, die Wirtin, sagte mir, dass sie zur Sicherheit morgens früh noch mal nachhakt, damit es auch wirklich klappt. Ich frühstücke also gemütlich und um 7:35 Uhr frage ich mal bei Jorge, dem Wirt nach, da noch kein Taxi da ist und auch von Haby nichts zu sehen ist. Er versucht zu telefonieren, aber das Festnetzt ist ausgefallen, auch das Internet geht nicht. Und das Handy hat hier manchmal Empfang, manchmal nicht – um diese Zeit nicht. Um 7:45 Uhr hat das Handy eines Gastes Empfang und Jorge versucht das Taxiunternehmen zu erreichen – es klingelt aber keiner geht ran. Ich bin jetzt ziemlich sauer, packe meine Sachen und stelle mich an die Strasse zum trampen. Um 7:55 Uhr gebe ich schon fast auf, aber ein paar Einheimische geben mit den Tipp, dass der Bus auch direkt hier vorbei fahren würde. Mir kommen Zweifel, ich zeige ihnen meine Karte, wo keine Querverbindung eingezeichnet ist, aber sie bestätigen mir, dass der Bus fahren würde, es seien eben nicht alle kleinen Strassen eingezeichnet. Um 20 nach 8 kommt tatsächlich ein Bus, aber mit einer anderen Aufschrift. Ich frage den Fahrer nach meinem Ziel, aber der sagt mir, dass hier kein anderer Bus fahren würde, mein Bus würde vom Zentrum aus fahren. Nun gut, ich steige trotzdem ein, weil er zumindest ein Stück in die richtige Richtung fährt. Er lässt mich an der Kreuzung raus, von woaus ich „nur“ noch 8 km zum Ausgangspunkt zu laufen habe.. Dort begrüsst mich erst mal ein verblichenes Schild mit den 7 Schwaben:

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Auf den ganzen 8 km begegnet mir kein einziges Auto, aber an einem einsamen Bauernhof frage ich nach dem Weg und erfahre, dass ich richtig bin. Schliesslich bin ich dann um 10:30 Uhr am eigentlichen Ausgangspunkt der Wanderung, wo mich eine „deutlich sichtbare“ Beschilderung begrüsst. Immerhin entnehme ich der Beschreibung, dass es 7 Stunden bis zur Hütte dauern würde und dass der Weg rot/weiss markiert wäre:

Tatsächlich habe ich die 15 km und 1000 Höhenmeter aber dann schon nach knapp 5 Stunden bewältigt..und da waren etliche Pausen dabei. Die Wegmarkierung war gelb/rot statt schwarz/weiss….Also halb so wild. Nach der anfänglichen Flussüberquerung des Rio Azul ging es überwiegend im Wald hoch ohne grosse Aussicht (aber immerhin schattig bei den schweisstreibenden Temperaturen). Erst kurz vor der Hütte öffnet sich der Blick auf das schöne Hochtal, in dem diese liegt. Die Unterkunft ist recht urig und einfach, aber ok. Ich habe nur etwas Bedenken wegen der Belegung, da ich beim Einchecken erfahre, dass man sich die Matratze ggf. mit jemandem teilen muss – 90 cm zu zweit? Nun ja, frisch verliebt mit der Frau meiner Träume sicher wunderschön, aber zusmmen mit einem ungewaschenen, verschwitzten Typen, der vielleicht noch schnarcht? No, gracias!!! Ich habe Glück und es füllt sich zwar, aber es sind nur einzelne Paare, die sich die Matratze teilen – ich habe eine für mich und es gibt im ganzen Raum, in dem ca. 60 Personen nächtigen keinen einzigen Schnarcher!

Am Spätnachmittag werde ich dann noch Zeuge einer Bergrettung per Hubschrauber. Ein junger Typ hat gemeint er könne eine 2 m hohe Kaskade herunterhüpfen und hat sich dabei am Kopf verletzt und beide Knöcher gebrochen. Es gibt keine organisierte Bergrettung, aber irgendwie gelingt es dem Hüttenwirt über Funk einen Hubschrauber anzufordern, der sonst für die Waldbrandbekämpfung eingesetzt wird – was schon fast ein Wunder ist, da in der Gegend gerade wegen der grossen Hitze und Trockenheit einige Waldbrände wüten. Der Hüttenwirt ist sehr froh, denn sonst hätte er den Verletzten selber auf einer Trage den ganzen Weg ins Tal bugsieren müssen…..

Ich mache es mir gemütlich, lese ein Buch und am nächten Morgen mache ich auf ohne Gepäck die knapp 500 Höhenmeter bis zum Gletscher zurück zu legen. Der ist zwar nicht so spektakulär, da durch einen Erdrutsch und Altschnee bedeckt, aber ich bin in einer guten Stunde oben und habe einen schönen Blick ins Tal. Allerdings bläst der Wind sehr kräftig und es wird richtig kalt:

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Ich wandere dann an diesem Tag noch etliche Stunden, mache ausgiebige Rast an einem 1500 m hoch gelegenen Bergsee, der „natacion“ (d.h. Schwimmen) heisst und nehme die Aufforderung wörtlich, obwohl es mir vor Kälte fast den Atem nimmt…Aber die Sonne brennt heiss und von daher ist es fast wie ein Tauchbad nach der Sauna..

Dann geht es 900 Höhenmeter runter zum Cajon del Azul, einer grösseren Hütte, die aber schon sehr überfüllt aussieht. In 40 min Entfernung gibt es jedoch eine weitere Hütte, die weniger überlaufen sein soll. Ich bin schon ziemlich müde nach dem vielen Laufen, aber diese kurze Strecke das Tal hoch werde ich schon noch schaffen. Dort angekommen, erfahre ich jedoch, dass die Hütte auch dort knallvoll ist. Ich könnte mich noch dazwischen quetschen, aber müsste mir die Matratze mit jemandem teilen – nein danke! Also nochmal ne knappe Stunde weiter das Tal hoch. Und dort angekommen, habe ich dann Glück: Eine tolle Lage, ein uriger Gaucho-Hüttenwirt und nur eine Handvoll Leute:

Ich treffe die beiden netten Mädels aus Köln wieder und noch einen Argentinier, den ich auch vorher schon gesehen hatte. Wir verbringen einen netten Abend zusammen und am nächsten Tag machen wir noch etwas Acroyoga, bevor die anderen weiter ziehen:

Ich beschliesse nach der Mammuttour des Vortages einen ruhigen Tag einzulegen. Ich finde einen tollen Platz am Fluss, wo ich ganz für mich mich nackt sonnen kann und der mich an der Ort meiner Visionssuche erinnert. Es tut gut dort zu sein! Am Abend habe ich meinen Muskelkater gegen einen Sonnenbrand eingetauscht 😉

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Am nächsten Tag mache ich mich dann auf einem recht breiten Weg auf den Rückweg, wieder zurück auf den ausgetretenen Pfaden der Massen:

Vom Endpunkt soll eigentlich ein Bus zurück nach El Bolson fahren, aber ich höre, dass gerade einer gefahren sein soll. Und wann der nächste kommt, weiss natürlich niemand.. Also laufe ich noch einige Kilometer, bis mich jemand mit dem Auto mitnimmt.

Ich treffe Vorbereitungen, um nach Chile weiter zu reisen, aber ich bekomme nur ein Busticket bis zur nächsten Stadt Esquel. Wie und ob es danach eiter geht, kann mir niemand sagen und auch im Internet finde ich nichts. Ich muss mich dann durchfragen….

Ich versuche mich im Ort direkt einzuquartieren, um am nächsten Morgen sicher den Bus zu erwischen und nicht wieder ein Taxi-Fiasko zu erleben, aber es ist alles entweder voll oder kostet mehr als 100 Dollar die Nacht.


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El Bolson – Ex-Hippies, Earthships und mehr

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Nach Bariloche macht die Ankunft in El Bolson erst mal einen guten Eindruck. Ein beschauliches Städtchen- eher etwas „angegefreakt“ mit netten Cafes die Govinda, Ganesh, etc….. heissen.

Die Nahverkehrssituation ist genauso schlimm wie in Bariloche. Es gibt zwar einen Fahrplan, aber der ist nicht verlässlich. Ich kaufe noch im Supermarkt ein, um es gerade rechtzeitig vor der Abfahrt des Buses zu schaffen, der mich die 3 km bis zu meinem Hostel bringt…. und warte dann 40 min mit der Unsicherheit, ob er überhaupt kommt. Im Fahrplan steht er fährt 13:45 Uhr eine Einheimische meint er fährt gegen 14 Uhr (oft auch gar nicht) und tatsächlich kommt er dann um 20 nach zwei.

Das Hostel liegt recht nett mit einem grossen Garten, aber die nahe Hauptstrasse dröhnt doch ziemlich herüber. Aber die Gastgeber sind sensationell freundlich und schaffen eine tolle Atmosphäre – man merkt sie machen den Job mit Leib und Seele. Abends wird das Asado angeschmissen und ich kann mein Bife de Chorizo dazu legen und habe nette Gesellschaft. Jorge, der Besitzer des Hostels bemerkt, dass es zwar früher mal ein Hippie-Town gewesen sei, aber nun kommerzialisiert wäre: „Wenn ich ihm einen echten Hippie zeigen könnte….“. Er meint es sei nur noch ein Marketing-Instrument sich als Hippie zu verkleiden, um mehr Umsatz zu machen… Es erinnert mich etwas an das Tollwood-Festival in München.

Am kommenden Tag erkunde ich den Ort und schaue mir ein Earthship-Bauwerk an, das gerade fertig gestellt wurde. Eine etwas einfachere Ausführung als das Projekt in Neuseeland und durch die Tatsache, das es als Hotel betrieben wird, stellt eine besondere Herausforderung dar, da das Nutzerverhalten ziemlich unvorhersehbar ist. Aber auch hier das gleiche Prinzip: Regenwasser wird eingefangen und mehrfach verwendet: Zuerst zum Duschen, dann zum Bewässern des Indoor-Gartens, dann als Klospülung, dann über einen Tank mit aktiven Bakterien als Outdoor-Gartendünger. Als Trinkwasser und zum Auffüllen des Tanks in der trockenen Jahreszeit wird jedoch Stadtwasser verwendet. Um hier auch Regenwasser zu verwenden müsste ein aufwändigerer Filter installiert werden. Die Solarthermie-Anlage ist auch recht klein gehalten und nur mit 300-Liter Speicher. Bei schönem Wetter durch die Vakuumröhrenkollektoren kein Problem, aber bei bewölktem Wetter wird über Gas zugeheizt. Und die 12 V-Photovoltaik-Anlage dient nur zum Antrieb der Wasserkreislaufpumpen, ansonsten ist die Anlage ans städtische Stromnetz angeschlossen, mit dem auch die Batterie der Solaranlage ggf. nachgeladen wird, um eine zu starke Entladung zu verhindern. Schön sind auch die Jurten, dei als zusätzlicher Wohnraum dienen:

Ich mache noch einen Ausflug zum nahegelegenen Lago Puelo:


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Bariloche – Partytown in famoser Landschaft

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Als ich in Bariloche ankomme, bin ich erst mal enttäuscht: Eine Grossstadt…..Shops, Verkehrschaos! Das Hostel, das ich reserviert habe, sieht ziemlich nach einer Party-Location aus: Mittags stehen noch die Bierflaschen der letzten Nacht herum und der tätowierte Typ an der Rezeption sieht auch nicht sehr frisch aus.. Aber letztlich sind dort alle sehr nett und ich kann relativ ruhig schlafen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Am Nachmittag schaue ich noch beim Andenverein vorbei und hole mir Tipps für Touren. Spontan entscheide ich mich noch zum Cerro Campanaria zu fahren. Phantastische Aussicht und nur ne gute halbe Stunde Aufstieg. Den Sessellift ignoriere ich natürliche, sind ja nur gut 200 Höhenmeter. Und oben gibt es sogar Apfelstrudel und Capuccino…

Es sind sehr viele Leute aus Buenos Aires dort – fast alle die dich treffe. Buenos Aires muss quasi leer sein – alle sind in die Berge oder ans Meer gefahren. Sogar die Karte für den öffentlichen Nahverkehr ist dieselbe wie in Buenos Aires.

Allerdings fahren die Busse sehr chaotisch und alles andere als nach Fahrplan. Also trampe ich zurück, mit drei verschiedenen Autos und nur sehr geringer Wartezeit dazwischen. Ich glaube diese Art zu reisen gefällt mir: Man lernt interessante Menschen kennen…

Am nächsten Tag nehme ich mir eine grössere Bergtour vor, zu einem Refugio (einer bewirtschafteten Berghütte). Ausgerüstet mit einer Beschreibung vom Andenverein, dem Fahrplan-pdf der Buslinie und Wegzehrung mache ich mich auf den Weg. Ich bin argentinisch spät dran – erst nach 10 Uhr breche ich auf. An der Bushaltestelle bekomme ich sehr unterschiedliche Auskünfte: Ja, der Bus fährt von hier ab, nein, ich müsse bis zur 18 fahren und dann umsteigen (was zum Teufel ist die 18?). Nach über einer halben Stunde Wartezeit treffe ich ein paar Jungs, die auch auf den Cerro Lopez wollen. Sie sagen auch, man müsse erst mit der Linie 20 bis zum Kilometer 18 fahren (aha, das heisst also die 18…) und dann umsteigen. Einer von denen ist Profi-Fussballer, der sogar mal ein Jahr für die Stuttgarter Kickers gespielt hat. Eine weitere halbe Stunde später kommt tatsächlich ein überfüllter Bus der Linie 20, der uns ca. 40 m später am Kilometer 18 ausspuckt. Dort stehen ca. 30 Leute und warten auch auf den Anschlussbus, seit fast einer Stunde… A la mierda mit irgendwelchen Plänen im Internet…funktioniert nicht! Nach weiteren 45 Minuten Wartezeit macht sich die Meinung breit, dass der Bus wohl nicht mehr kommt heute und wir teilen uns auf zum trampen. Ob die anderen Jungs jemals angekommen sind, weiss ich nicht. Ich bin jedenfalls um 14 Uhr am Ausgangspunkt der Wanderung – fast 4 Stunden für 30 km, und etlichen Stunden Wartezeit in der prallen Sonne. Ich habe schon leichte Kopfschmerzen. Aber ich raffe ich auf die Wanderung in Agriff zu nehmen, die zu allem Überfluss mindestens zur Hälfte in der sengenden Sonne verläuft, sehr steil ansteigt und von Viechern begleitet wird, die den deutschen Bremsen ähneln.

Trotz dieser widrigen Umstände staune ich über meine Kondition: Die 800 Höhenmeter sind in gut 2 Stunden bewältigt und die Blicke unterwegs sind wirklich toll! An der Hütte überlege ich, ob ich noch bis zum Gipfel austeigen soll, aber nach einem Päuschen, werde ich dann doch ziemlich träge, so dass ich das nicht mehr mache, sondern einfach wieder absteige. Auf der Rückfahrt habe ich Glück: Von einem Bus ist natürlich wieder weit und breit nichts zu sehen, aber nach kurzer Wartezeit nimmt mich ein Tourist aus der Provinz San Luis mit. Er fährt direkt bis nach Bariloche und wir machen zwischendurch noch ein paar nette Fotostopps:

 

 

 

 

 

 

 

 

Was wäre eine Reise ohne die Musik des Landes, die das Lebensgefühl wiederspiegelt? Diese Musik hat sich wie ein Ohrwurm bei mir festgesetzt und wird für immer mit diesem Südsommer zum Jahreswechsel 2015/2016 verbunden sein:

 

 


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Berge und Seen Patagoniens – fast wia dahoam

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Am folgenden Tag breche ich auf nach Villa la Angostura über die berühmte „ruta de los 7 lagos“. Ein wunderbarer See reiht sich an den anderen und die Landschaft ist auf diesen 110 km wirklich spektakulär. Aber Rad fahren wollte ich auf dieser vielbefahrenen Strasse nicht, zumindest nicht zu dieser Jahreszeit, wo sich unzählige Autos, Busse und Motorräder entlang quälen. Mein muss eben aus dem Fahrzeug aussteigen und in die Natur hinaus wandern, um deren Schönheit so richtig zu spüren. Für Kaffeefahrten mit dem Bus bin ich noch zu jung.

Villa La Angostura gefällt mir ausgesprochen gut. Die Lage ist traumhaft und das Hostel, das ich vorab gebucht hatte liegt ansprechend und ruhig in einer Seitenstrasse.

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Interessant finde ich auch, dass es hier kombinierte Kinder- und Altenheime gibt:

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Ich erfahre, dass hier die Mächtigen und Reichen ihre Ferienvillen haben. Auch Argentiniens neugewählter Präsident Macri, der offenbar keine Berührungsängste mit Grossindustriellen hat, ist gerade dort bei einem amigo zu Gast.

Nach einem argentinisch-späten Mittagessen, entschliesse ich mich um 16:30 Uhr noch zu einer Bergwanderung aufzubrechen. Bereits nach einer Stunde ist ein herrlicher Aussichtspunkt erreicht und ich habe Appetit auf mehr. Wie weit kann ich gehen, ohne Gefahr zu laufen von der Dunkelheit überrascht zu werden? Die Karte von der Touristeninfo ist ein schlecher Witz, die Beschilderungen unklar und so frage ich mich etwas durch und bekomme ein Gefühl für Möglichkeiten. Und wieder einmal bewährt sich die Offline-Karte von OSM (open street map) mit deren Hilfe ich mich per GPS auf dem handy orientieren kann, auch wenn ich kein Mobilfunk-Signal habe. Dort ist ein Weg eingezeichnet, der bis zu einem Berggipfel (oder in deren Nähe..) führt und von dortaus über eine andere Route wieder zurück in den Ort führt. Das wären allerdings fast 1000 Höhenmeter. Ich setze mir ein Limit, dass ich um 19:30 Uhr oder spätestens 20:00 Uhr umdrehen werde. Der Pfad ist gut mit roten Punkten markiert und bietet nun fast durchgehend atemberaubende Aussichten. Wenn nicht die Pflanzen andere wären, dann könnte ich meinen ich spaziere gerade irgendwo oberhalb des Tegernsees einher, so sehr erinnert mich die Landschaft an „dahoam“…

Um kurz nach halb acht erreiche ich einen beschilderten Abzweig zu einem „cajon negro“. Keine Ahnung wo das ist, aber laut GPS stimmt die Richtung und ich bin ganz froh nicht ganz bis zum Berggipfel aufsteigen zu müssen, um die Runde vollenden zu können. Ich bin immerhin auch schon fast 800 Höhenmeter aufgestiegen… Der Pfad führt hinunter in eine Schlucht und dort erreiche ich dann tatsächlich auch den anderen Weg, der auf der OSM-Karte eingezeichnet ist. Ich mache noch einen Abstecher zu einem Wasserfall und als es um 22 Uhr dunkel wird, bin ich schon ganz in der Nähe des Ortes, am Rand eines Reservats der Mapuche-Indianer. Was dann folgt ist ein ziemliches Gewirr aus kleinen Pfaden, über Zäune und kleine Bäche hinweg. Ohne GPS und Stirmlampe hätte ich mich da garantiert verirrt…

Im Hostel angekommen ist um 23 Uhr Rushhour in der Küche. Alle sind am Abendessen kochen, bzw. essen. Es sind fast keine Ausländer da und deswegen geht es sehr argentinisch zu. Ich setze mich noch bei meinen Zimmergenossinen dazu (zwei Steueranwältinnen aus Buenos Aires), trinke ein Bierchen und wir unterhalten uns nett. Wenn ich vorher geglaubt hatte, dass das deutsche Steuerrecht kompliziert wäre, dann erfahre ich, dass das argentinische noch deutlich komplexer ist. Man muss nämlich drei verschiedene Steuererklärungen machen: Eine auf kommunaler Ebene, eine auf Provinzebene und eine nationale. Und für jede gibt es andere Steuersätze und Vorschriften. Und zu allem Überfluss genügt es auch nicht das einmal im Jahr zu machen , sondern die Erklärungen sind alle 3 Monate fällig. Aber wir reden nicht nur über trockene Themen, sondern philosphieren auch ganz interessant über das Leben und das Reisen. Was mir gefällt ist, dass man sich in Argentinien – wenn man sich nicht total unsympathisch ist – gerne beim Erzählen kurz berührt…am Arm oder an der Schulter. Und da beide auch ziemlich hübsch sind, träume ich als ich später im Bett liege, noch von ganz anderen Berührungen…aber es bleibt beim träumen….

Am folgenden Tag nehme ich mir zur Erholung die Halbinsel vor, an dessen Spitze der „bosque de los Arrayanes“ ist, eine seltene Baumart mit gelblichen Stämmen. Es sind 13 km einfachen Wegs, mit lediglich leichtem Auf und Ab. Ich könnte eine Strecke mit dem Boot fahren, aber der Fahrpreis liegt bei 25 Dollar und dies finde ich unangemessen viel! Schon der Eintritt auf die Halbinsel kostet für Ausländer, die nicht aus dem Mercosur kommen 8 Dollar. Also laufe ich die Strecke und geniesse die Natur und die Ausblicke. Auf dem Rückweg gibt es 5 km, die nicht so spannend sind, d.h. nur Wald und ebener, breiter Weg, Und da fange ich an zu joggen und merke, dass ich nach der gestrigen Bergtour und den heutigen 20 km noch ziemlich fit bin und die ganze Strecke und Probleme durchlaufen kann. Das fühlt sich gut an und ich bin stolz auf mich!

Die Bootsstege in der Sonne, die Strände mit Bergblick, die schattigen Wälder – fast wia dahoam! Und ich bekomme fast so etwas wie Heimweh….vielleicht werde ich mich ja doch einfach wieder in Oberbayern nieder lassen. Schee iss scho da!


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Neujahr: Ab in den Süden

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Am Sylvesternachmittag beginne ich mal so langsam meine weitere Reise zu planen. Und ich merke, dass es in der Hauptferienzeit gar nicht so einfach ist bezahlbare Unterkünfte zu buchen, bzw. noch einen Platz im Bus zu ergattern. Ergebnis: Entweder ich fahre bereits am Neujahrstag los, oder dann erst eine ganze Woche später. Ich entscheide mich für erstere Option, da ich ja schon über 2 Wochen in La Plata bin und es Zeit wird weiter zu ziehen.

Mora hat mir eine nette, handgemalte Karte angefertigt mit Tipps für meinen Roadtrip:

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Da es jeweils nur noch ganz wenige freie Unterkünfte und Sitzplätze im Bus gibt, plane ich gleich mal die nächsten 10 Tage voraus. Und das in einem Land wie Argentinien…..ob das wohl gut geht?

Die erste Station ist San Martin de los Andes. Von La Plata aus ist ausgebucht, aber von Buenos Aires geht noch was. Gut 20 h Busfahrt für ca. 1600 km. Ich plane ausreichend Pufferzeit ein, um am zentralen Busbahnhof in Buenos Aires, dem Retiro anzukommen. Dort wird mein Bus lange nicht angezeigt und dann gibt es einen, der um 20:15 statt 20:20 Uhr bei gleichem Ziel mit der gleichen Busgesellschaft einfährt. Als ich einsteigen will, erfahre ich, dass dies nicht mein Bus ist und der um 20:20 Uhr wegen technischem Defekt ausfällt. Ich soll dringend beim Schalter vorbei schauen. Na toll! Warum gebe ich eigentlich bei der Buchung meine Mailadresse und Handynummer an, wenn nicht für solche Fälle? Am Schalter erfahre ich, dass ich auf einen anderen Bus um 21:00 umgebucht wurde, der allerdings mit Neuquen ausgeschildert sei. Ich frage, wie sich das auf die Fahrtzeit auswirkt und ob ich umsteigen muss? Nein, ich müsse nicht umsteigen und ausserdem würde dieser Bus eine direktere Route nehmen, so dass ich etwa zur selben Zeit ankommen würde. Also gut…. Aber natürlich ist meine Sitzplatzreservierung weg und sie wollen mich erst im unteren Stock ganz hinten unterbringen, wo einem die Aircondition die ganze Zeit lärmend in den Nacken bläst. Ich protestiere und kriege noch einen ganz guten Platz im zweiten Stock.

Der Bus klappert so ziemlich alle westlichen Vorstädte von Buenos Aires ab und es dauert bis 13 Uhr am nächsten Tag bis wir Neuquen erreichen. Es kommt keine Info, wie das mit der Weiterfahrt laufen soll. Auf Nachfragen erfahre ich, dass wir den Bus wechseln müssten, jedoch der andere schon bereit stünde. Dies ist natürlich nicht der Fall und es dauert noch mal eine halbe Stunde, bis der nächste Bus kommt. Es wird dann auch bald Mittagessen serviert und ich frage ob es Wein gibt. Der Stewart fragt erst ganz beflissen, was für einen ich denn gerne hätte – rot oder weiss? Als ich sage ich hätte gerne einen roten, merke ich dass er mich auf den Arm nehmen wollte. Es gibt Sprite oder Sprite. Ich sage, dass es im letzten Bus jedoch diese Auswahl von Wein, Bier, Whiskey, Kaffee, etc.. gegeben hätte. Er erwiedert, dass sei bestimmt ein anderes Busunternehmen gewesen und nennt einige Namen der Konkurrenz. Nein, ich versicher ihm dass es das gleiche Unternehmen gewesen sei. Er zuckt mit den Schultern – ich trinke Sprite….

Der Bus macht noch zahlreiche weiter Stopps und die geplante Ankunftszeit von 16.30 Uhr ist schon lange überschritten und die Berge sind noch nicht mal von Ferne zu sehen. Endlose Weiten der Pampa! Topfeben…

Um 20:30 Uhr kommen wir schliesslich in San Martin an.

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Ich hatte dort nur einen Tag eingeplant und der ist schon fast vorüber. Am nächsten Morgen um 10:30 Uhr geht es bereits weiter. Aber die guten Nachrichten sind, dass wir soweit nach Südwesten gefahren sind, dass die Sonne mehr als eine Stunde später untergeht, d.h .erst um viertel nach Neun und auch um Zehn ist es noch ein wenig dämmerig.

Also geniesse ich einen kleinen Abendspaziergang und gehe anschliessend Pizza essen. Dazu gibt es „cerveza artesanal“ – nein das ist kein künstliches Bier, sondern Bier von kleinen unabhängigen Brauereien, was bisweilen deutlich besser als das allgegenwärtige Quilmes ist. Auf dem ersten steht auf dem Etikett „Rauchbier“ und das zweite ist ein „Weizenbier“ – ziemlich gut, aber auch teuer.

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Es ist Samstagabend, weihnachtliche Sommerhochsaison und der Ort brummt. Vieles erinnert an Tirol, nicht nur die Skiwerbung:


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La Plata

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Seit zwei Tagen bin ich an meiner diesjährigen Weihnachtsdestination, bei der Tochter einer Halbcousine, in La Plata (Provinz Buenos Aires). Es ist schön zu den Feiertagen in einem familiären Umfeld willkommen zu sein.

Eine Halbschwester meines Vaters ist den 1920-er Jahren nach Argentinien ausgewandert. Eine 91-jähriger Tocher von ihr lebt noch. Die Begegnung mit ihr war etwas humoristisch: Sie ist zwar körperlich noch fit, aber geistig lebt sie in einer eigenen Welt, die sich etwa 30 Jahre in der Vergangenheit befindet. Sie fühlt sich wie 60 und wundert sich, dass die Frau, die behauptet ihre Tochter zu sein bereits graue Haare hat. Ausserdem leben in ihrer geistigen Welt noch ihre Eltern und sämtliche Geschwister. Sie erzählt also von der Vergangenheit so als ob sie im Hier und Jetzt wäre. Das Langzeitgedächtnis funktioniert noch gut und sie spricht akzentfrei deutsch, obwohl sie ständig zwischen den beiden Sprachen wechselt. Was wir anscheinend gemeinsam haben, ist die Freude an deftigen Wortspielen zu sein. Sie benutzt gerne das Wort „mier…coles“ statt „mierda“, was dem deutschen „Schei…benkleister“ entspricht. Sie verwechselt mich mit einem Onkel von ihr und wundert sich, als ich sage, dass ich nicht 15 Jahre, sondern erst 3 Wochen in Argentinien bin. Und sie stellt mir im 5-Minutentakt immer wieder die selben Fragen. Und als ich mich zwischendurch mal ein Stündchen hinlegen und wieder erscheine, hat sie die vorherige Begegnung wieder komplett vergessen, weiss nicht wer ich bin und die Frage- und Erzählschleife fängt von neuem an, wie eine Schallplatte, die vor 30 Jahren hängen geblieben ist und immer in der gleichen Rille läuft. Aber für sie selber ist es wohl eine Gnade, denn so fühlt sie sich fit und muss sich nicht mit Gedanke an den eigenen Tod und den ihrer Liebsten belasten.

Bei ihrer 70-jährigen Tochter Soledad bin ich gut untergebracht und da ihre 3 Kinder aus dem Haus sind, geniesst sie es offenbar mich zu bemuttern. Mir ist es fast etwas unangenehm, wenn ich so bedient und bekocht werde, aber sie lässt es sich nicht nehmen und protestiert schon, wenn ich mich auch nur beim Geschirrspülen nützlich machen will. Das Haus ist nett geschnitten und liegt ziemlich zentral in diesem Universitätsstädtchen eine Stunde südlich von Buenos Aires. Allerdings tost auch hier Tag und Nacht gnadenlos der Autoverkehr vorbei, wie schon in Salta zu spüren, ist es in Argentinien mit der beschaulichen Ruhe vergangener Zeiten vorbei.

Ich bekomme die Auswirkungen der ersten Massnahmen des neuen Präsidenten Macri mit. Gerade mal sechs Tage ist er im Amt und schon hebt er die Devisenbeschränkungen auf. Er überlässt den neuen Wechselkurs des Peso nun dem freien Markt, was über Nacht zu einer Abwertung des Peso von 46 % führt. Innerhalb nur eines Tages gleichen sich der offizielle Kurs und der Schwarzmarktkurs an. Die vorherige Linksregierung von Christina (wie sie von ihren Anhängern vertraulich genannt wurde) hatte den Kurs künstlich festgelegt, um Vorteile bei der Begleichung von Auslandsschulden zu erzielen. Ihre Massnahmen waren vielleicht für die Binnenwirtschaft des Landes gut, aber sie führten im Ausland zu Vertrauensverlust, Investitionsstopp und in Folge zu Devisenknappheit. Meine baren Dollars sind jedenfalls jetzt nicht mehr 15 Pesos, sondern nur noch 13,7 wert….

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Am Abend habe ich Gelegenheit beim Jahresabschluss der Biodanza-Gruppe von La Plata viele schöne Begegnungen, Augenkontakte, Tänze, Umarmungen zu geniessen. Biodanza ist für mich eine tolle Gelegenheit in verschiedenen Regionen der Welt – und speziell in Südamerika – mit gleichgesinnten Menschen in alles andere als oberflächliche Kontakte einzutauchen.

Und die Weihnachtsstimmung ist hier im Sommer so gar nicht stille Nacht, heilige Nacht. Das letzte Stück, das wir tanzen, teile ich zu der folgenden Musik in einem tollen und sehr lebendigen Tanz mit einer dunkelhaarigen Schönheit:

Um Mitternacht treffe ich dann noch Mora, die Tochter von Soledad und Enkelin meiner Halbcousine in einer Musikkneipe, wo eine Freundin von ihr mit ihrer Band auftritt, einer Mischung von Tango und brasilianischem Samba. Wir unterhalten und prima und trinken noch das eine oder andere Bier:

Über das Wochenende werde ich zu einem Workshop nach Buenos Aires fahren – wieder Biodanza, geleitet von der Tochter des verstorbenen Begründers von Biodanza. Das Thema scheint mir gut zum Jahresabschluss, sowie zum Motto meiner Reise zu passen:

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Das Biodanza-Seminar fand an einer sehr schönen Location auf dem Land nördlich der Hauptstadt statt. Ein bisschen Show und viel Reden, aber trotzdem war es gut dort zu sein. Obwohl die Gruppe in La Plata für mich mehr Tiefgang hatte. Meine Sehnsucht nach bleibenden, tiefgründigen Kontakten habe ich deutlich bei einer Runde von Abschluss-Umarmungen wahr genommen. Eine Frau, die ich bisher kaum bemerkt hatte, fühlte sich so toll an – und das gegenseitig – dass wir uns gar nicht mehr loslassen wollten…Aber wieder ein Abschied, sie kommt aus Rosario, 250 km nördlich von Buenos Aires… Ich habe noch nicht mal ihre Kontaktdaten. Am Ende des Workshops ging eine Liste herum, wo man sich eintragen konnte zwecks Gründung einer Facebook-Gruppe. Ich dachte in dem Moment noch dran, dass ich mir besser ein Foto davon mache, aber ich habe es nicht gemacht. Und nun warte ich fast 3 Wochen später immer noch vergeblich auf die Gründung dieser Gruppe. Keine Ahnung was dieser Nasenbär mit der Liste gemacht hat, der gesagt hat er würde sich darum kümmern… Einen Namen hatte ich noch in Erinnerung. Ihn habe ich angeschrieben über facebook, ob er was von der Gruppe weiss, aber auch Fehlanzeige. Das sind Dinge, die mich in Argentinien zum Wahnsinn treiben. Zuverlässlichkeit scheint für mich ein wichtiger Wert zu sein…

Zu den existenziellen Fragen des Workshops &Wo leben, mit wem, was arbeiten& ist mir die komplexe Verzahnung nochmals besonders deutlich geworden. Da ich auf das &wo leben& am meisten aktiven Einfluss habe, werde ich hier besonderen Fokus drauf setzen. In der Hoffnung, dass sich die anderen Fragen dann auch mit der Zeit lösen. Also Landkommune mit netten Leuten: Wo bist du???

In La Plata habe ich Zeit herum zu streifen. Derzeit schreibe ich am Heilignachmittag aus der &republica de los ninos&, einem sozialen Experiment aus der Peron-Ära der 50-er Jahre. Hier wurde Kindern die komplette Selbstverwaltung einer kleinen Stadt mit kompletter Infrastruktur, Parlament, etc… übergeben. Selbstverständlich gemäss den Arbeiterklasse-Idealen von Evita Peron….

Gestern war ich auf den Spuren meiner Vergangenheit in Buenos Aires, das eine Stunde von La Plata entfernt liegt. Nach einer geführten Fahrradtour machte ich mich auf weitere Plätze aus der Zeit aufzusuchen, als ich 1992 für 4 Monate dort wohnte. Sogar das Haus habe ich wieder gefunden, wo ich damals mit meiner deutschen Freundin wohnte, bis sie mich wegen eines Argentiniers verliess – este hijo de puta, boludo!!! Ich weiss noch wie ich in einem schlechten Film, mich in einem Cafe gegenüber des Hauses stundenlang auf die Lauer legte, um diesen A….. zu treffen und ihn zu verprügeln. Aber dazu kam es zum Glück nicht. Aber das Cafe war noch an der gleichen Stelle…. Es war meine erste grosse Liebe gewesen, die in Buenos Aires ein Ende fand. Danach versank ich ein Jahr lang in tiefer Depression und Selbstmitleid, bis ich ein Jahre später wieder einige Monate in Argentinien weilte (in Salta) und dort meine Lebensfreude wieder fand. Dieses Land ist also für mich mit tiefen Emotionen verbunden…

Mal schauen, was sich die nächsten Tage noch so auftut. Mit den Kindern von Soledad verstehe ich mich gut und es wird wohl noch das eine oder andere Asado geben. Oder zum Schwimmen ans Meer. Vielleicht mache ich auch mal einen Ausflug rüber nach Montevideo…. Auf diese Weise kann ich mein Visum für Argentinien erneuern und noch ein paar Cash-Dollars aus dem Automaten ziehen. Trotz der Aufhebun der Devisenbeschränkungen, ist der Schwarzmarkt-Kurs für bare Dollars noch um einiges besser als der offzielle.

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Argentinien ist ein Chaos-Land. In vielen Bereichen unterentwickelt und die Knappheit und das Schlangestehen erinnert mich irgendwie an den real existierenden Sozialismus. Am Bankschalter, am Geldautomaten, an der Bushaltestelle, beim Tickets kaufen, … man muss viel Geduld und Zeit mitbringen. Wenn man mitbekommen hat wie sich durch smartphone-apps und Online-Business in Europa, Asien, Nordamerika, Australien, Neuseeland die Wartezeiten verkürzt haben und alles sofort von überall erledigt werden kann, fühlt man sich in Argentinien um mindestens 10 Jahre zurück versetzt.

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Fortschrittliche Sozialgesetzgebung der Peronisten, guter Minderheitenschutz, ein tolles Pressegesetz, Unabhängigkeit von den USA, aber auch viel Korruption und eine Ineffizienz, wo es mir die Haare aufstellt und die Zehennägel hochrollt. Kaum etwas funktioniert zuverlässig……

Weihnachten geht hier alles etwas später los – es wird ja auch erst um 9 Uhr abends statt um 5 Uhr nachmittags dunkel. So ab 21:30 Uhr trudeln die ersten Gäste ein und es wird zu Abend gegessen. Keine besondere Weihnachtsstimmung. Aber dann kurz vor Mitternacht gibt es einen Countdown wie an Sylvester, es wird mit Sekt angestossen und man wünscht sich gegenseitig frohe Weihnachten. Draussen Böller und ein paar Raketen – nix mit stille Nacht…Es geht in ausgelassener Stimmung bis nach 3 Uhr morgens weiter. Die Nacht ist warm und sternenklar und ab und hört man Autos mit voll aufgedrehter Partymusik vorbei fahren – Summerfeeling:

Am folgenden Tag bin ich eigentlich mit der jüngeren Generation gegen 13 Uhr verabredet zum Baden raus zu fahren. Ich wache mit einem ziemlichen Kater auf und bin ganz froh, dass die ersten Abstimmungen zum weiteren Verlauf des Tages, dann erst ab 15 Uhr erfolgen und wir dann um 16:30 Uhr an einen schönen Fluss fahren, der auf angenehme 30 Grad temperiert ist. Über Mittag wäre es wohl eh zu heiss gewesen…

Am nächsten Tag am Rio de la Plata:

Sylvester gab es wieder ein nettes Gartengrilfest. Aber die richtige Party ging natürlich erst weit nach Mitternacht los. Speziell nur in La Plata gibt es den Brauch Figuren aus Pappmachee und Holz zu formen, die prämiert werden und in der Neujahrsnacht verbrannt werden. An 140 verschiedenen Orten gibt es solche Figuren mit den unterschiedlichsten Motiven und verbrannt werden sie zu unterschiedlichen Zeiten. Vor dem Verbrennen gibt es jeweils ein Feuerwerk vor Ort, so dass das Feuerwerk um Mitternacht gar nicht so spektakulär war. Um 02:30 gehen wir zu einer solchen Verbrennung und es ist schon ein eindrucksvolles Spektakel. Die Hitze ist noch in 100 m in Entfernung gewaltig zu spüren und die Flammen sind mindestens 5 m hoch – ich bin froh zu wissen, dass alle Zündler vorher eine Einweisung durch die Feuerwehr absolvieren müssen:

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Im Anschluss gehen wir dann noch zu einem anderen Ort, wo nach der Verbrennung ordentlich getanzt und gefeiert wird. Sylvester als Sommerfest hat schon eine ganz andere Energie:


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Cordoba

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Von Cafayate aus fahre ich mit dem Bus weiter Richtung Süden. Schon bald ist die Provinzgrenze von Tucuman erreicht. Der Bus windet sich durch trockene Wüsten-Landschaft auf über 3000 m hoch. Ab der Passhöhe ändert sich die Landschaft komplett: Grüne Wälder, Seen, saftige Wiesen. Meine Busnachbarin, eine Yogalehrerin aus Buenos Aires, die sich gerade hier auf dem Land ein Haus gekauft hat, klärt mich auf, dass es in der Provinz Tucuman 25 verschiedene Mikroklimas gibt. Nach 6 Stunden, die dank interessater Unterhaltung recht kurzweilig sind, kommen wir in der Hauptstadt der Provinz an. Dort schlägt uns schwülwarme Luft entgegen – abends um 20 Uhr zeigt das Thermometer noch 32 Grad an.

Mein Bus nach Cordoba geht erst um Mitternacht und so gebe ich mein Gepäck in der Aufbewahrung ab und erkunde etwas die Stadt. Ich setze mich in ein Strassencafe und beobachte die Szenerie. So langsam setzt die Abenddämmerung ein und hier und da ist weihnachtliche Lichterdeko zu sehen. Mir fällt auf, dass es hier unheimlich viele attraktive Frauen gibt, die hübsch gekleidet in kurzen Jeans, Miniröcken und gewagten Topps ihre Weihnachtseinkäufe erledigen. Ich geniesse diese Augenweide…. Es gibt auch viel mehr junge Leute hier als in Europa. In Argentinien ist die Bevölkerungspyramide noch eine wirkliche Pyramide und nicht so eine unförmige Zwiebel mit Bauchspeck wie in Deutschland. (wobei ich wohlgemerkt repräsentativer Teil dieser deutschen Zwiebel bin – mit 50 Jahren am jüngeren Ende der geburtenstarken Jahrgänge kurz vor dem Pillenknick, und (bisher) kinderlos..)

Eine halbe Stunde vor Mitternacht fahre ich mit dem Taxi zum Busterminal zurück. Ich hatte gehört, dass speziell Tucuman nicht so ganz ungefährlich sei und ich will das Risiko nicht eingehen mit all meinem Geld (viel Dollar-Bargeld, da man in Argentinien am Geldautomaten nur den offiziellen Wechselkurs bekommt, der ca. 50 % schlechter ist als der auf dem Schwarzmarkt) nachts durch weniger belebte Strassen zu laufen.

Der Bus kommt schliesslich mit über einer Stunde Verspätung an. Die tolle Ausstattung tröstet etwas über die Unpünktlichkeit hinweg. Die Sitzelehnen lassen sich vollkommen horizontal stellen und es gibt ein passendes Fussteil, dass die Sitzfläche waagrecht verlängert, so dass eine ebene, angenehm ledergepolsterte Liegefläche von ca 180 cm Länge entsteht. Das ist zwar etwas kürzer als meine Körpergrösse, aber in seitlicher Position mit leicht angewinkelten Knien gelingt es mir einigermassen zu schlafen. Vorhänge zum Gang hin schaffen sogar etwas Privatspähre. Da wir allerdings kurz nach dem Start noch mal irgendwo ca. 1 Stunde in einer Werkstatt stehen, summiert sich die Verspätung auf über 2 Stunden.

In Cordoba angekommen fahre ich sofort weiter nach Saldan, einem kleinen Ort, ca 20 km ausserhalb, am Beginn der grünen Hügel der Sierra. Dort treffe ich Roxana, eine der Töchter der befreundeten Familie aus Salta, die vor einem Jahr mit ihrem Freund zusammen hierher gezogen ist. Es ist ein schönes Wiedersehen und Martin, ihr Freund, ist auch sehr nett. Es gibt erst mal ein zünftiges Asado… Martin ist selbständiger Automechaniker und leidenschaftlicher Motorradfahrer. Er zeigt mir Videos aus Argentinien, die er während der Fahrt mit der Helmkamera aufgenommen hat: Von solch leeren Traumstrassen in atemberaubend schöner Landschaft kann man in Europa nur träumen. Da bekomme ich auch glatt wieder Lust auf das Reisen per Motorrad..

Roxana leidet seit vielen Jahren unter dem chronischen Müdigkeitssyndrom und ich bekomme mit, was das bedeutet. Arbeiten ist praktisch unmöglich, jede kleine Anstrengung benötigt ausgiebige, anschliessende Ruhephasen und es fällt schwer sich auf etwas zu konzentrieren. So ziehe ich am folgenden Tag mit Martin alleine los zu einer Geburtags-Garten-Poolparty bei einer Freundin, die orientalischen Tanz unterrichtet. Dort sind viele nette Leute und ich fühle mich etwas erinnert an die Zeit in Salta in den 90-ern, wo ich fast jeden Abend in irgendeiner netten Feierrunde in guter Stimmung verbrachte.

Am Abend kommt dann noch eine Freundin von Roxana mit ihrer bildhübschen 14 jährigen Tochter vorbei, wir machen gemeinsam Pizza und danach schieben wir den Tisch zur Seite und Martin gibt einen kleinen Grundkurs im Salsa-Tanzen. Wir kommen zwar immer wieder aus dem Takt, aber haben eine Menge Spass.

Andy, die Freundin von Roxana, lädt mich für den nächsten Tag zu sich nach Carlos Paz ein, ein Ferienort in der Nähe an einem schönen Stausee Sie hat dort ein kleines Häuschen mit Pool. Martin muss arbeiten und Roxana verbringt mehr oder weniger den ganzen Tag beim Arzt: Mittags 2,5 Stunden warten um für den Abend einen Termin zu bekommen und dann abends nochmals 2 Stunden warten- und das für max. 15 min bei dem Gott in weiss… Andy ist Sonderschullehrerin und hat ebenso wie ihre Tochter erst mal Sommerferien bis Ende Februar.

Am Abend lade ich Roxana dann in eine Trattoria ein, wo man nett draussen sitzen kann. Es schmeckt wunderbar und wir führen gute Gespräche. Allerdings lasse ich mir die Meeresfrüchte-Lasagna einige Stunden später noch mal durch den Kopf gehen, nachdem ich mit Bauchkrämpfen aufwache. Auch durch den Hinterausgang entweicht die Pasta in flüssier Form – Mist!

Für heute haben wir einen Ausflug in die Sierra geplant und ich weiss nicht so recht, ob ich fit genug dafür sein werde, bzw. ob ich nicht doch lieber ein Klo in der Nähe brauche..Aber um 10 Uhr geht es mir schon wieder besser, ein bisschen Schonkost und ein paar Okoubaka-Globuli scheinen den Magen zu beruhigen. Geplant haben wir, dass wir so ca. um 11 Uhr los zu fahren. Ich bin dann auch um 10:55 bereit, aber von Roxana noch keine Spur und ich will sie auch nicht stören. Mittlerweile ist es nach 14 Uhr und ich habe die Zeit zum Schreiben genutzt. Mit dem Ausflug wird es wohl nichts mehr, da die geplante Rundtour alleine 4 Stunden Autofahrt sind und ich heute abend den Nachtbus nach La Plata, Provinz Buenos Aires nehmen werde.


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Cafayate – Bunte Felsen und erlesene Weine auf 2000 m Höhe

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Die Argentinier haben ja eine unverwechselbare Aussprache. Sie sagen nicht Cafajate sondern Cafaschate. Keine 200 km von Salta entfernt ist der Charakter der Landschaft in Cafaschate vollkommen anders. Fast wüstenhaft trocken und an 340 Tagen im Jahr scheint die Sonne. Die bunten Felsformationen erinnern an den Südwesten der USA oder auch an Gegenden im marokkanischen Atlas-Gebirge – die Entfernung zum Äquator ist ja auch eine ähnliche…

Der 12000 Einwohner zählende Ort ist zwar einigermassen touristisch, aber er gefällt mir dennoch gut. Ruhig und entspannt – selbst an der Plaza kann man in in Ruhe ein Eis essen und das Flanieren wird einem nicht durch Autoverkehr verleidet. Ich lande in einem wirklich netten Hostel und ziehe gleich mit ein paar Schweizern los, die ich dort kennen lerne. Am kommenden Tag leihen wir uns Fahrräder aus, fahren mit dem Bus 50 km ans andere Ende der Schlucht und radeln dann die Strecke zurück. Die Felsformationen wie „Teufelsschlucht“, „Amphitheater“, „Schloss“, „Kröte“ sind wirklich sehenswert. Ich bin zwar am Vortag die Strecke schon mit dem Bus gefahren, aber mit dem Fahrrad ist das Landschaftserlebnis ungleich intensiver. Nur die gnadenlos herunterbrennende Sonne laugt mit der Zeit aus, so dass wir 6 Stunden später vollkommen fix und alle, aber zufrieden wieder im Ort ankommen:

 

Am Abend taucht überraschenderweise Alfonsina mit Familie in Cafayate auf. Sie hatten mal so Bemerkungen gemacht, dass sie da auch schon länger nicht mehr gewesen wären und es schön fänden mal wieder hin zu fahren. Aber so wirklich damit gerechnet hätte ich jetzt nicht. Aber eine schöne Überraschung! Zum Abendessen um 22 Uhr treffen wir uns in grosser Runde, gemeinsam mit dem Schweizern.

Am kommenden Tag besichtige ich gemeinsam mit Alfonsinas Familie die erste Wein-Bodega mit einer kompetenten Führung, aber nicht gerade überragenden Wein. Am Nachmittag ziehe ich dann jedoch noch mal los mit einer Österreicherin und einer anderen Schweizerin aus dem Hostel und wir nehmen und zwei weitere Bodegas vor. Die Weinproben sind wirklich besser und die Stimmung wird mit zunehmenden Gläschen auch lockerer:

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Salta

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Nun bin ich also mal wieder in Salta, zum vierten Mal. Kurz 1992 als Tourist, 1993 fuer einige Monate quasi als Einheimischer, 2005 einige Tage zu Besuch und nun wieder – versuchend an alte Spuren anzuknuepfen.

Gerade die letzten 10 Jahre hat sich enorm viel veraendert. 2005 waren noch die Auswirkungen der schweren Wirtschaftskrise zu spueren, der Wohlstand beschraenkte sich auf wenige und alles war (fuer Europaer) spottbillig.

Mittlerweile hat sich die Wirtschaft zumindest innnerhalb des Landes stabilisiert, auch wenn auslaendische Investoren und Glaeubiger nicht so viel Vertrauen hatten, nachdem Schulden nicht zurueck gezahlt wurden und private Betriebe ueber Nacht ohne Entschaedigung verstaatlicht wurden.

Letztes Wochenende waren Wahlen und ab 10. Dezember tritt ein neuer Praesident an. Alle Menschen, mit denen ich gesprochen habe, sind froh, dass die Peronisten abgewaehlt wurden. Diese Linksregierung schreibt sich soziales Engagement auf die Fahnen, aber tatsaechlich findet viel Korruption, Manipulation und Postengeschacher statt. Der neue Praesident verspricht, dass die Posten nach Expertenwissen und nicht nach Parteibuch besetzt werden sollen – und hat damit viele Argentinier ueberzeugt.

Ich bin mal gespannt ob ich die naechsten Monate, waehrend meiner Zeit in Argentinien, schon erste Auswirkungen mitbekomme..

Das auffaelligste, was sich die letzten 10 Jahre veraendert hat ist der Autoverkehr. Jeder scheint mittlerweile ein Auto zu haben, die meisten sind sogar recht neu. Die meisten kommen aus argentinischer oder brasilianischer Produktion (Renault, Peugeot, Volkswagen), aber man sieht auch etliche Audis und BMW’s.

Die einstige Atmosphaere der Stadt ist damit ziemlich dahin. Ein Schlendern durch die schoenen Strassen mit ansprechender Kolonialarchitektur erstickt im Laerm und Autos stauen sich und verpesten die Luft. Lediglich die Plaza und die Fussgaengerzone laden noch zum Flanieren ein. Am Haus meiner frueheren Gastfamilie, wo ich derzeit wohnen kann, tost der Verkehr Tag und Nacht vorbei, so dass ich Ohrenstoepsel brauche um schlafen zu koennen. Die Folge ist, dass die viele in die ruhigeren Vororte oder aufs Land hinaus ziehen und in die Stadt hinein pendeln, was natuerlich noch mehr Verkehr verursacht.

Das Preisniveau ist den letzten Jahren deutlich angestiegen. Vor 10 Jahren war es noch bei 10-20 % des europaeischen Levels, mittlerweile sind wir bei ca. 50 %.

Das Asado bei David zu seinem Geburtstag war vorzueglich und es war schoen ihn wieder zu sehen. Ich glaube er hat sich auch gefreut. Aber irgendwie sind wir ueber smalltalk nicht hinaus gekommen.

Mit seiner Mutter, bei der ich gerade wohne, hatte ich viel intensivere Gespraeche und ich fuehle mich sehr herzlich aufgenommen. Es ist schoen, dass ich bei ihr wohnen kann.

Alfonsina, eine der Toechter, habe ich auf dem Lande besucht, wo sie mit Mann und zwei Kindern wohnt. Das war ein netter Nachmittag und die Kinder waren nach anfaenglichem Zoegern dann auch freudig zugewandt. Besonders Sofie, die dreijaehrige begruesste mich schnell freudig, waehrend Franko, der sechsjaehrige Bruder etwas laenger brauchte und erst mal scheues Verstecken spielte. Ich habe ihnen meine Hängematte aus dem Dschungel geschenkt und mich gefreut, dass sie Spass damit haben:

 

Alfonsina erzaehlte mir dann noch einige Details von den Streitigkeiten zwischen den Geschwistern, was alles sehr unerfreulich ist. Ich hoffe, dass das in meiner Familie nie passiert, dass wir wegen Geld und Erbschaftsdingen nicht mehr miteinander reden und die Anwaelte aufeinander hetzen.

Vorgestern habe ich nochmal am Biodanza teilgenommen: Gruppenabschluss vor der Sommerpause. Erst Ende Februar wird es weiter gehen. Das war nett, aber anhaltende Kontakte haben sich nicht ergeben.

Gestern war ich auf dem Hausberg, auf den mittlerweile eine Seilbahn hinauf fuehrt, aber ich bin natuerlich hoch gelaufen, des Trainings wegen – wie viele andere auch. Ober war vom roten Kreuz sogar eine Sportstation aufgebaut, kostenlose Bewegungsanimation mit motivierender Musik…

Abends kamen dann so etliche Leute auf Besuch vorbei. In typisch argentinischer Manier ruft man nicht etwa vorher an und macht Termine aus, sondern man schneit einfach so mal rein. So habe ich gestern abend ein paar Leute kennen gelernt und Alfonsina war auch noch mal mit den Kindern da.

Interessant sind die Essgewohnheiten in Argentinien. Man isst in der Regel 4 Mahlzeiten. Fruehstueck (recht simpel), Mittagessen (wobei die Suppe NACH dem Hauptgang serviert wird), dann gibt es am fruehen Abend Tee und eine Brotzeit und das eigentliche Abendessen findet dann zwischen 22 und 24 Uhr statt, fett, fleischlastig und reichlich… also ideale Voraussetzungen, dass man ueber Nacht so richtig schoen Fett auf den Rippen ansetzen kann…

So langsam spinne ich schon Plaene weiter zu reisen, Richtung Cafayate, Cordoba, Buenos Aires, La Plata, Patagonien…Ich habe Salta wieder gesehen, meine Freunde dort getroffen und gemerkt, dass sich die Stadt nicht unbedingt zu ihrem Vorteil verändert hat. Welches Glück ich damals hatte in dieser Familie so herzlich aufgenommen zu werden und jeden Abend mit einem der „Kinder“ losziehen zu können. Ich fühlte mich wie ein fünftes Kind der Familie. Das ist immer noch so, dass ich mich eng mit dieser Familie verbunden fühle. Aber die Zeiten haben sich geändert, der Zusammenhalt der Familie ist nur noch in Teilen vorhanden. Als ich dann einen Abend alleine los gezogen bin und in einer neuen Vergnügungsmeile so für mich an einem Tisch sass und mein Bier geschlürft habe, da habe ich mir gedacht, ich könnte eigentlich auch schon früher wieder aufbrechen. Am nächsten Tag bringe ich das Thema bei meiner Gastgeberin auf den Tisch und merke an der Reaktion, dass sie sehr enttäuscht wäre, wenn ich schon fahren würde. Es ist schön mich wirklich herzlich willkommen zu fühlen und einen Platz zu haben , an dem ich mich zuhause fühlen kann. Also beschliesse ich noch ein paar Tage zu bleiben. Ich kann ausschlafen (obwohl die Strasse direkt vor meinerm Fenster ist und es sich anfühlt als ob der Verkehr direkt durch Zimer dröhnt  – eigentlich eine schöne, gehobene Gegend der Stadt, aber wie sich der Autoverkehr die letzten 10 Jahre entwickelt hat, würde ich von dort wegziehen, wenn es mein Haus wäre). Ich kann am Computer arbeiten (was ich auch recht ausgiebig tue auf der weiteren Suche nach Online-Arbeitsmöglichkeiten), ich kann mit der Mutter des Hauses lange Gespräche führen, gemeinsam kochen und essen, Wein trinken, Filme anschauen….

Und ich mache ein paar Ausflüge. Alfonina lädt mich nochmal ein zu ihr rauszufahren und ich mache auch ein paar Ausflüge alleine, lese, schreibe, geniesse das schöne sommerliche Wetter, mache sportliche Touren auf den Hausberg.

Einmal fahre ich hinaus nach Campo Quijano zu der Firma, wo ich damals mein Praktikum gemacht hatte. Die Firma gibt es noch, aber offenbar ist es ähnlich wie 1993: Es wird nicht viel in Neues investiert und nur eben das am Laufen gehalten, was existiert. Damals bin ich viel mit dem Produktionsleiter herum gezogen und habe seine täglichen Reparaturen verfolgt. Es erschien mir eher eine Reaktion als ein präventives Vorgehen. Das passt zur argentinischen Mentalität: Nicht viel voraus planen, sondern spontan mit dem Sein was gerade ist. Zuvor war ich einige Monate im Borax-Tagebau auf 4200 m Höhe gewesen, wo ich den Verfeinerungsprozess dieser seltenen Substanz verfogen durfte. Bis es dem Chef dort irgendwann mal spanisch vorkam, dass ich so viele neugierige Fragen stellt und alles im Detail verstehen wollte. Er hielt mich offenbar für einen Spion und versetzte mich die restlichen 3 Wochen in ein anderes Werk, wo es so gut wie nichts zu sehen gab:

Auf meinen Spaziergängen stosse ich auch auf Heldengedenkstätten des Malvinas-Krieges. Die Engländer hatten damals diese 19000 km entfernte Inselgruppe vor Argentinien zurück erorbert, nachdem die argentinische Junta versucht hatte diese zu anektieren. Dieses Portal soll daran erinnern, dass Argentinien ein Stück des Vaterlandes fehlen würde. Die paar Engländer, die dort wohnen, nennen sie Falkland-Islands:

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Durch Campo Quijano fährt auch der berühmte Touristenzug „tren a los nubes“ (Zug in die Wolken), der ab hier hoch in die Anden auf fast 5000 m steigt:

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Meine Stimmung ist oft nicht die Beste. Ich fühle eine ziemliche Antriebsschwäche, mag morgens gar nicht so recht aufstehen, bin träge und sogar etwas depressiv.

Vielleicht hatte ich insgeheim doch gehofft, in Salta wieder nahtlos an alte, gute Zeiten anknüpfen zu können, vielleicht mich dort so heimisch zu fühlen, dass ich gar nicht mehr weg möchte. Aber ich merke, dass das nicht mein Platz zum Leben ist. Vielleicht ist es diese Ent-Täuschung, die mich müde macht. Oder vielleicht ist es auch die freundliche Möglichkeit an einem Platz einfach nichts machen zu müssen und mich dennoch akzeptiert zu fühlen. Oder ich gebe einer Müdigkeit Raum, welche die letzten Wochen des Reises in mir hinterlassen hat…

Wie dem auch sei, ich bin heute weiter gezogen und in Cafayate, 200 km südwestlich angekommen. Ein nettes Dorf, das für seine Arizona-ähnlichen Schluchten, Felsformationen und sehr guten Wein bekannt ist.

 


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Argentina – Ankommen in der vertrauten Fremde

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Argentinien begruesst mich an der Grenze mit einem Schild, was mir die enormen Dimensionen diese Land in Erinnerung ruft. Bis nach Ushuaia in Feuerland sind es mehr als 5000 km:

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Der Bus windet sich langsam von der ueber 3000 m hoch gelegegene Hochebene bis zu den Schluchten von Humahuaca, wo ich eine Nacht bleibe.

Im weiteren Verlauf bis nach Jujuy, das nur noch 1800 m hoch liegt, wird es immer gruener. Im Winter ist es in dieser Gegend recht trocken und erst vor kurzem gab es die ersten Regenfaelle. Das ueppig frische Fruehlingsgruen ist wunderbar!

Ich habe es geschafft entspannt in Jujuy anzukommen. Und werde mit argentinischem Organisationschaos konfrontiert.

Der Workshop soll ursprünglich um 9 Uhr stattfinden, weswegen ich bereits am Vortag anreisen wollte. Gestern abend kam dann die Info, dass es um 11 Uhr sein soll, da einige erst heute früh von Salta aus losfahren können. Und inzwischen sind wir bei 11:30 Uhr.

Dann hiess es ich könne vorher schon dort übernachten in einem Appartment, das ich mit anderen teilen würde. Von Patricia, der Leiterin, kam dann die Info, dass 5 „chicas“ aus Salta ebenfalls am Vorabend anreisen würden. Ein Appartment mit 5 Mädels zu teilen, stellte ich mir recht lustig vor. Als die „Mädels“ dann kamen, stellte sich heraus, dass sie zwar alle nett sind, aber einheitlich im Grossmutteralter….  Und dann hatten sie auch Bedenken das Appartment mit einem Mann zu teilen (in Argentinien wären sie halt etwas konservativer..), so dass ich noch in ein anderes Appartment ausweichen musste, was mich vor die Herausforderung stellt den exorbitanten Preis runterzuhandeln, den sie jetzt von mir verlangen… (Den Preis für das zweite Appartment konnte ich nicht runterhandeln, aber zumindest habe ich erreicht, dass wir den Gesamtpreis für die zwei Appartments durch 6 teilen. Das ist fair, denn wir hätten ja auch in einem Appartment zu sechst übernachten können, aber die „Mädels“ wollten ja lieber unter sich bleiben. Insgesamt halten sich die Kosten dann noch im Rahmen: Der Tagesworkshop, inkl. zwei Übernachtungen sind 900 Pesos, d.h. nach Schwarzmarktkurs 60 Dollar, was derzeit 57 Euro sind)

Die Leiterin schickt zwei Wegbeschreibungsdateien: Eine Karte, wo das Ziel nicht gekennzeichnet ist. Und eine Datei, die sich nicht öffnen lässt. Aber inzwischen weiss ich nach mehrmaligem Nachfragen, wo ich hin muss… Diejenigen, die mich im Auto mitnehmen, haben keine Ahnung wo wir hin müssen, aber ich kann sie mit meinem GPS und google maps lootsen. Obwohl auch das eine Herausforderung ist, da das Internet in Jujuy so langsam ist, dass es Minuten dauert bis die Karte geladen ist. Für eine Stadt mit einigen Zehntausend Einwohnern ist das die schlechteste Internetverbindung, die ich auf meiner gesamten Reise hatte. Selbst Länder wie Laos oder Fiji waren da besser – Indien sowieso…

Wir sind dann auch – dank meiner Unterstützung – pünktlich um 11:30 Uhr vor Ort……und um 12:45 Uhr geht es dann tatsächlich los….

Der Workshop ist dann doch noch nett und ich habe ein paar schöne Begegnungen, Besonders der Teil im Wasser hat mir gut getan – Wasser ist eben mein Element. Dennoch erfahre ich den Gruppen in Deutschland ein noch tieferes Einlassen. Aber schön, mal wieder einen Geschmack davon zu haben.

Nach der Mittagspause gibt es einen Theorieteil und eine Gruppenarbeit. Wie haben eine halbe Stunde Zeit anhand eines Textes ein Thema zu beleuchten und auf einem Flipchart zu visualisieren. Die ersten 10 Minuten schaue ich mir das an, wie es unstrukturiert vor sich hindümpelt, dann ergreife ich die Initiative, stelle mich ans Flipchart und fange an die Gedanken zu Papier zu bringen und den weiteren Verlauf zu leiten. Es erinnert mich etwas an frühere Situationen auf der Arbeit in Teammeetings, wo ich die Leitung hatte und es macht mir Spass mal wieder in diese Rolle zu schlüpfen. Ich bekomme Komplimente für meine Fähigkeiten, spanisch nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich zu beherrschen und darf dann das Ergebnis unserer Gruppenarbeit auch noch im Plenum vortragen.

Ich fühle mich wohl, trotz der organisatorischen Unzulänglichkeiten, insgesamt ein schöner und lohnender Tag! Und zwei Stärken von mir, konnte ich mal wieder erleben: Die meditative Wasserarbeit und das Leiten und Strukturieren von Teams.

Morgen geht es dann nach Salta, wo ich vor 22 Jahren mal ein halbes Jahr gelebt habe und noch Freunde habe – Mitglieder der Gastfamilie, in der ich damals freundlich aufgenommen wurde. Diese Zeit in Salta war eine der besten meines Lebens und ich freue mich drauf wieder ein wenig daran anknüpfen zu können. Allerdings ist die Situation der Familie wohl offenbar gerade etwas kompliziert da einige zerstritten sind und nicht miteinander reden. Wie dem auch sei, ich werde alle mal besuchen und kann auch in dem grossen Haus wohnen, in dem die mittlerweile auch recht alte Mutter mittlerweile alleine wohnt, nachdem ihr Mann letztes Jahr gestorben ist und die „Kinder“ nun endgültig alle aus dem Haus sind…. Sie scheint sich über Gesellschaft zu freuen. Ich bin mal gespannt. Am Sonntag mittag bin ich bei David zum Geburtstags-Assado eingeladen…


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