Wo die blauen Gipfel ragen, lockt so mancher steile Pfad: Von Hütte zu Hütte

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Von El Bolson aus habe ich mir eine mehrtägige Wanderung herausgesucht: Hinauf zum Hielo Azul (einem Gletscher) und anschliessend hinüber zum Cajon Azul (wörtlich „blaue Kiste“ – d.h. eine Art Klamm).

Die Logistik war mal wieder herausfordernd. Am Vortag war sämtlichen Geldautomaten des Ortes das Geld ausgegangen – ich hatte mich schon gefreut, dass es ausnahmsweise mal keine Schlangen vorm ATM gab….Na gut, wenn ich sparsam bin, dann könnte mein Bargeld gerade noch reichen…

Es gibt nur einen Bus täglich, der zu dem 15 km entfernten Ausgangspunkt fährt. Morgens um 8 vom Ortszentrum aus. Deswegen habe ich mir schon am Abend vorher ein Ruftaxi organisiert, da ich keine Lust hatte die 3 km so früh zu laufen. Bestellt für 7:30 Uhr und Haby, die Wirtin, sagte mir, dass sie zur Sicherheit morgens früh noch mal nachhakt, damit es auch wirklich klappt. Ich frühstücke also gemütlich und um 7:35 Uhr frage ich mal bei Jorge, dem Wirt nach, da noch kein Taxi da ist und auch von Haby nichts zu sehen ist. Er versucht zu telefonieren, aber das Festnetzt ist ausgefallen, auch das Internet geht nicht. Und das Handy hat hier manchmal Empfang, manchmal nicht – um diese Zeit nicht. Um 7:45 Uhr hat das Handy eines Gastes Empfang und Jorge versucht das Taxiunternehmen zu erreichen – es klingelt aber keiner geht ran. Ich bin jetzt ziemlich sauer, packe meine Sachen und stelle mich an die Strasse zum trampen. Um 7:55 Uhr gebe ich schon fast auf, aber ein paar Einheimische geben mit den Tipp, dass der Bus auch direkt hier vorbei fahren würde. Mir kommen Zweifel, ich zeige ihnen meine Karte, wo keine Querverbindung eingezeichnet ist, aber sie bestätigen mir, dass der Bus fahren würde, es seien eben nicht alle kleinen Strassen eingezeichnet. Um 20 nach 8 kommt tatsächlich ein Bus, aber mit einer anderen Aufschrift. Ich frage den Fahrer nach meinem Ziel, aber der sagt mir, dass hier kein anderer Bus fahren würde, mein Bus würde vom Zentrum aus fahren. Nun gut, ich steige trotzdem ein, weil er zumindest ein Stück in die richtige Richtung fährt. Er lässt mich an der Kreuzung raus, von woaus ich „nur“ noch 8 km zum Ausgangspunkt zu laufen habe.. Dort begrüsst mich erst mal ein verblichenes Schild mit den 7 Schwaben:

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Auf den ganzen 8 km begegnet mir kein einziges Auto, aber an einem einsamen Bauernhof frage ich nach dem Weg und erfahre, dass ich richtig bin. Schliesslich bin ich dann um 10:30 Uhr am eigentlichen Ausgangspunkt der Wanderung, wo mich eine „deutlich sichtbare“ Beschilderung begrüsst. Immerhin entnehme ich der Beschreibung, dass es 7 Stunden bis zur Hütte dauern würde und dass der Weg rot/weiss markiert wäre:

Tatsächlich habe ich die 15 km und 1000 Höhenmeter aber dann schon nach knapp 5 Stunden bewältigt..und da waren etliche Pausen dabei. Die Wegmarkierung war gelb/rot statt schwarz/weiss….Also halb so wild. Nach der anfänglichen Flussüberquerung des Rio Azul ging es überwiegend im Wald hoch ohne grosse Aussicht (aber immerhin schattig bei den schweisstreibenden Temperaturen). Erst kurz vor der Hütte öffnet sich der Blick auf das schöne Hochtal, in dem diese liegt. Die Unterkunft ist recht urig und einfach, aber ok. Ich habe nur etwas Bedenken wegen der Belegung, da ich beim Einchecken erfahre, dass man sich die Matratze ggf. mit jemandem teilen muss – 90 cm zu zweit? Nun ja, frisch verliebt mit der Frau meiner Träume sicher wunderschön, aber zusmmen mit einem ungewaschenen, verschwitzten Typen, der vielleicht noch schnarcht? No, gracias!!! Ich habe Glück und es füllt sich zwar, aber es sind nur einzelne Paare, die sich die Matratze teilen – ich habe eine für mich und es gibt im ganzen Raum, in dem ca. 60 Personen nächtigen keinen einzigen Schnarcher!

Am Spätnachmittag werde ich dann noch Zeuge einer Bergrettung per Hubschrauber. Ein junger Typ hat gemeint er könne eine 2 m hohe Kaskade herunterhüpfen und hat sich dabei am Kopf verletzt und beide Knöcher gebrochen. Es gibt keine organisierte Bergrettung, aber irgendwie gelingt es dem Hüttenwirt über Funk einen Hubschrauber anzufordern, der sonst für die Waldbrandbekämpfung eingesetzt wird – was schon fast ein Wunder ist, da in der Gegend gerade wegen der grossen Hitze und Trockenheit einige Waldbrände wüten. Der Hüttenwirt ist sehr froh, denn sonst hätte er den Verletzten selber auf einer Trage den ganzen Weg ins Tal bugsieren müssen…..

Ich mache es mir gemütlich, lese ein Buch und am nächten Morgen mache ich auf ohne Gepäck die knapp 500 Höhenmeter bis zum Gletscher zurück zu legen. Der ist zwar nicht so spektakulär, da durch einen Erdrutsch und Altschnee bedeckt, aber ich bin in einer guten Stunde oben und habe einen schönen Blick ins Tal. Allerdings bläst der Wind sehr kräftig und es wird richtig kalt:

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Ich wandere dann an diesem Tag noch etliche Stunden, mache ausgiebige Rast an einem 1500 m hoch gelegenen Bergsee, der „natacion“ (d.h. Schwimmen) heisst und nehme die Aufforderung wörtlich, obwohl es mir vor Kälte fast den Atem nimmt…Aber die Sonne brennt heiss und von daher ist es fast wie ein Tauchbad nach der Sauna..

Dann geht es 900 Höhenmeter runter zum Cajon del Azul, einer grösseren Hütte, die aber schon sehr überfüllt aussieht. In 40 min Entfernung gibt es jedoch eine weitere Hütte, die weniger überlaufen sein soll. Ich bin schon ziemlich müde nach dem vielen Laufen, aber diese kurze Strecke das Tal hoch werde ich schon noch schaffen. Dort angekommen, erfahre ich jedoch, dass die Hütte auch dort knallvoll ist. Ich könnte mich noch dazwischen quetschen, aber müsste mir die Matratze mit jemandem teilen – nein danke! Also nochmal ne knappe Stunde weiter das Tal hoch. Und dort angekommen, habe ich dann Glück: Eine tolle Lage, ein uriger Gaucho-Hüttenwirt und nur eine Handvoll Leute:

Ich treffe die beiden netten Mädels aus Köln wieder und noch einen Argentinier, den ich auch vorher schon gesehen hatte. Wir verbringen einen netten Abend zusammen und am nächsten Tag machen wir noch etwas Acroyoga, bevor die anderen weiter ziehen:

Ich beschliesse nach der Mammuttour des Vortages einen ruhigen Tag einzulegen. Ich finde einen tollen Platz am Fluss, wo ich ganz für mich mich nackt sonnen kann und der mich an der Ort meiner Visionssuche erinnert. Es tut gut dort zu sein! Am Abend habe ich meinen Muskelkater gegen einen Sonnenbrand eingetauscht 😉

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Am nächsten Tag mache ich mich dann auf einem recht breiten Weg auf den Rückweg, wieder zurück auf den ausgetretenen Pfaden der Massen:

Vom Endpunkt soll eigentlich ein Bus zurück nach El Bolson fahren, aber ich höre, dass gerade einer gefahren sein soll. Und wann der nächste kommt, weiss natürlich niemand.. Also laufe ich noch einige Kilometer, bis mich jemand mit dem Auto mitnimmt.

Ich treffe Vorbereitungen, um nach Chile weiter zu reisen, aber ich bekomme nur ein Busticket bis zur nächsten Stadt Esquel. Wie und ob es danach eiter geht, kann mir niemand sagen und auch im Internet finde ich nichts. Ich muss mich dann durchfragen….

Ich versuche mich im Ort direkt einzuquartieren, um am nächsten Morgen sicher den Bus zu erwischen und nicht wieder ein Taxi-Fiasko zu erleben, aber es ist alles entweder voll oder kostet mehr als 100 Dollar die Nacht.


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