Kuelap – Unterwegs zu Vorinkaruinen in den nördlichen Anden

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So ein wenig packt mich eine Reisekrise. Ich bin etwas unlustig immer weiter und weiter zu ziehen. Möchte gerne verweilen an schönen Orten mit netten Menschen. Die schönen Orte suche und finde ich, das ist nicht das Thema. Die Begegnung mit netten Menschen ist dagegen eher Glücksache… Und soviel Glück habe ich seit einigen Tagen da nicht.

Da finde ich ein Blatt, dessen erstaunliche, natürliche Form gerade zu meiner Situation passt. Wohin geht es weiter, auf der Reise, im Leben?

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Ich fahre ein Stückchen weiter bis Moyobamba und quartiere mich dort bei einem netten japanischen Paar ein, die vor 20 Jahren ausgewandert sind und ein Hostel mit eigener Fischzucht in der Nähe von Thermalquellen betreiben. Das Essen ist hervorragend und auch die heissen Quellen tun gut. Sie helfen mir für den nächsten Tag einen guten Platz im Collectivo nach Chachapoyas zu reservieren, eine rund 5-stündige Fahrt von 800 m Höhe wieder hoch auf 2400 m.

Ich komme zeitig am Busterminal an und esse noch ein Süppchen. Die hübsche Bedienung ist in Flirtlaune und setzt sich zu mir an den Tisch. Wir reden über balangloses, aber schauen uns dabei recht tief in die Augen. Meine Laune steigt…

Der Platz in dem Kleinbus ist tatsächlich auch frei für mich, aber der Abstand zu den Nachbarsitzen ist so gering, dass man auf ständiger Tuchfühlung ist. Und irgendwie nervt mich das heute. Wenn es sich um die hübsche Bedienung vom Busbahnhof gehandelt hätte, dann hätte ich das sicher genossen, aber mit den zwei Herren links und rechts von mir, fechte ich so einen kleinen Kniekampf aus. Es ist schlicht unmöglich NICHT im Körperkontakt zu sitzen, denn sobald man ausweicht, mache sie es sich gleich noch bequemer und die Knie sind wieder am eigenen Knie. Es ist einfach so normal, dass die Kleinbusse und Autos brechend voll sind, dass es keinerlei Verständnis für das Bedürfnis nach Individualdistanz gibt.

Ich bin also etwas genervt und als die Fahrgäste dann anfangen ihren Müll einfach aus dem Fenster zu werfen, kann ich nicht an mich halten und mache Bemerkungen, dass sie den Müll doch nicht einfach die Gegend schmeissen sollten. Als mein Sitznachbar mir einige Minuten später eine Plastikflasche in die Hand drückt mit der Bitte sie für ihn aus dem Fenster zu werfen, weil er da nicht selber hinkommt, weigere ich mich. Er schaut mich gross an und fragt „Warum“? Ich versuche daraufhin zu erklären, dass man die Natur eben bewahren sollte und dass Plastik ewig braucht um sich zu zersetzen, aber an seinem Gesicht erkenne ich schon, dass er mich einfach für einen versponnenen Gringo hält. Eine Weile später wir weiter hinten im Bus eine ganze Bank frei und ich ziehe um, um dem ständigen Körperkontakt zu entgehen. Da ergreift er die Gelegenheit beim Schopf, öffnet das Fenster und wirft die Flasche zusammen mit anderem Müll selbst hinaus…

Was braucht es, damit in Peru ein Müllbewusstsein entsteht? Auch bei der Fahrt auf dem Amazonas tat es mir fast körperlich weh zu sehen, wie die Leute nach dem Mittagessen die Styroporbox einfach in den Fluss werfen Auch da muss ich einfach etwas sagen. Ich warte natürlich auf eine adäquate Müllentsorgung. Und siehe da, es kommt tatsächlich jemand von der Crew vorbei und hält die Tüte auf, um weiteren Müll hinein zu tun. Befriedigt, werfe ich mit einem demonstrativ belehrenden Blick auf die Nachbarn meinen Müll ordentlich in den Sack. Als ich dann allerings sehe wie das Crewmitglied dann mti völliger Selbstverständlichkeit den gesamnten Müllsack am Heck des Schiffes in den Fluss entleert, könnte ich heulen….

Lediglich bei organisierten Ausflügen in die Natur habe ich erlebt, dass die Führer teils darauf hingewiesen haben, keinen Müll zu hinterlassen. Und in Schutzgebieten habe ich auch entsprechende Schilder gesehen. Naja, das ist mal ein Anfang…. Noch vor einer Generation hatten diese Menschen schlicht keinen Abfall, der nicht organischer Natur gewesen wäre. Sie müsen wohl erst die Natur extrem mit Plastikmüll verschandelt haben, bevor irgendwann das Bewusstsein entsteht, dass dies nicht schön  ist und ausserdem über die Tiere auch in die menschliche Nahrungskette gelangt.

In Chachapoyas ist es trüb und regnerisch als ich ankomme. Aber nach der tropischen Hitze in den Niederungen, stört mich das erst mal nicht. Ich nehme am Busbahnhof ausnahmsweise mal das Angebot eines Schleppers an, der mir ein Hostel für gerade mal 20 Soles (5,50 EUR) mit eigenem Bad anpreist. Das Zimmer sieht wirklich recht gut und sauber aus und die Gegen ist ziemlich ruhig, obwohl nur 3 Cuadras von der Plaza entfernt. Allerdings hat die Sache einen Haken, den ich erst später bemerke: Das Haus als solches ist sehr hellhörig und es gibt Traveller, die bis nach 1 Uhr nachts lautstarke Gespräche führen, während andere schon am frühen Morgen wieder lärmend im Haus unterwegs sind. Nach einer ziemlich schlechten Nacht schaue ich mich morgens also anch Alternativen um, und finde ein wirklich schönes Zimmer in einem alten Kolonialhaus, direkt an der Plaza, aber nach hinten heraus gelegen zu einem schönen Innenhof. Und dort funktioniert auch das WIFI deutlich besser…. Kostet zwar 30 Soles mehr, aber das ist es mir (bin ich mir) wert.

Ich hole etwas Schlaf nach, relaxe in meinem Zimmer und mache mich am Nachmittag zu einer kleinen Wanderung zu einem Aussichtspunkt auf. Das Wetter ist zunächst ganz ok, aber dann schüttet es, so dass der Rückweg zu einer schlammigen Rutschpartie wird:

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Es gibt in der Nähe interessante Wasserfälle, ziemlich grosse sogar, die auf der Weltrangliste je nach Sichtweise zwischen Position 3 und 16 stehen. Insgesamt fast 800 Meter Fallhöhe, aufgeteilt in 3 Stufen.

Ich könnte das mir auch alleine organisieren mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Aber ich habe keine Lust auf eine weitere einsame Unternehmung. Also buche ich für den nächsten Tag eine organisierte Tour. Es fühlt sich etwas seltsam an, so als würde ich mir Gesellschaft kaufen. Aber die Entscheidung stellt sich dann in der Tat als schön heraus. Die Gruppe ist nett: Ein peruanisches Paar, eine Mutter mit Tochter aus Arequipa, und eine sympathische, alleine reisende Londonerin 😉 Sie ist zwar viel jünger als ich, aber doch in einer ähnlichen Lebenssituation, dass sie nach ein paar Jahren Arbeit einen Break macht, um heraus zu finden, was für Inspirationen sie auf einer langen Reise für die weitere Zukunft gewinnen kann. Die meiste Zeit der vierstündigen Wanderung gehen wir gemeinsam und führen interessante Gespräche. Da neben Business auch Sprachen studiert hat, sprechen wir spanisch miteinander.

Der Führer, der uns zum Wasserfall begleitet ist ein komischer, alter Kauz – aber ein richtiges Urgestein aus den Bergen, der mit viel Humor so allerlei Legenden und Geschichten zu erzählen weiss. Er erinnert mich an vergleichbare Gestalten im Allgäu oder in den tiefen Tälern Österreichs. Sein Dialekt ist schon sehr gewöhnungsbedürftig – eine harte Aussprache, bei der zudem noch viele Vokale unter den Tisch fallen. Aus „Buenos dias“ wird dann so was ähnliches wie „Buens das“. Aber auch wenn ich nicht jedes Wort verstehe, so kann ich doch sinngemäss folgen. Er erzählt die Geschichte, wie der Wasserfall touristisch erschlossen wurde. Vor etwas 10 Jahren von einem Deutschen, der in der Gegend lebt. Vorher gab es keinen Weg dorthin und man musste mühsam im Bachbett klettern, wozu man 10 statt 2 Stunden brauchte. Das machte aber kaum jemand, denn die Gegend galt als gefährlich. Am Wasserfall würden Sirenen hausen (oben Frau, unten Fisch), die Männer mit ihren süssen Gesängen anlocken und dann ins Verderben führen würden. Der deutsche scherte sich ncht viel drum und zog los um mutig sogar direkt am Wasserfall zu übernachten. Als er lebend und frohen Mutes zurück kehrte, konnte er einige Einheimische überzeugen, dass es doch nicht so gefährlich ist. Er fand die Caritas als Sponsor, die den Weg als Projekt anlegte und die Pflege und auch die laufenden Einnahmen dann schliesslich an die Dorfgemeinschaft übergaben. Mittlerweile hat ein Spanier dort sogar eine Luxuslodge gebaut mit freiem Blick auf den Wasserfall – 200 Dollar die Nacht, all inclusive…

 

Von der Wasserfall-Tour komme ich jedenfalls mit einem guten Gefühl zurück ins Hotel.

Für den nächsten Tag plane ich die berühmten Ruinen von Kuelap ein. Sie sind erst vor rund 10 Jahren wiederentdeckt, d.h. touristisch erschlossen worden. Mitunter werden sie als zweites Machu Pichu gehandelt. Ich bin also gespannt. Derzeit wird eine Seilbahn gebaut, d.h. ab nächstem Jahr wird es wohl immer touristischer werden.

Ich entscheide mich für eine kombinierte Tour: Die 2,5 stündige Anfahrt und die Führung mache ich mit einer organisierten Tour, den Abstieg ins Tal dann auf eigene Faust. Da die Anfahrt schon in die Richtung geht, die ich am nächsten Tag weiter einschlagen möchte, bitte ich den Fahrer kurz an einem Hostel im Talort anzuhalten, damit ich dort mein Gepäck deponieren kann. Die Tour ist dann auch durchaus sehenswert, aber mit Machu Pichu kann es dann doch nicht mithalten. Oben fängt es dann während der Besichtigung fürchterlich an zu regnen und ich überlege schon meine Wanderung ins Tal abzublasen. Aber dann lässt der Regen doch etwas nach und durch den Nebel hindurch kann man wieder ein Stückchen sehen. Also mache ich mich alleine auf den Weg und siehe da, bald hört es sogar ganz auf zu regnen. Und es ist faszinierend durch die verschiedenen Klima- und Vegetationszonen von 3000 m auf 1800 m abzusteigen, oder besser gesagt hinunter zu gleiten, auf glitschigem rotem Matsch, der sich zentimeterdick unter die Sohlen klebt. Es erinnert mich etwas an das Abfahren auf Altschneefeldern in de Alpen. Es gelingt mir ohne Hinfallen nach gut zwei Stunden, kurz vor Einbruch der Dunkelheit in meinem Hostel im Tal anzukommen.

 

Abends schau ich, wie ich wohl am nächsten Tag weiter komme. Ich befinde mich immer noch im Departamento Amazonas an den Osthängen der Anden und muss die Cordillera überqueren, um zum Pazifik zu kommen. In Chachapoyas bekommte ich die vage Auskunft, dass es wohl derzeit nur Nachtbusse gibt, da unterwegs eine Brücke repariert wird und es tagsüber zu langen Wartezeiten kommt. Vor Ort in Tingo versuche ich näheres zu erfahren. Die einen sagen so, die anderen so. Man rät mir an der Polizeistation nachzufragen. Die Polizisten sind der Meinung es würde tagsüber gerade nichts fahren, alleinfalls Kleinbusse bis zum nächsten Ort. Ich stelle mich schon darauf ein mich darauf einzulassen und im nächsten Ort zu fahnden, ob nicht doch noch irgendetwas fährt. Es ist eine spektakuläre, sehr abgelegene, einspurige Strecke – und die würde ich gerne bei Tageslicht geniessen.

Ich finde in Tingo am Abend ein kleines Restaurant und frage auch dort mal nach der Bussituation und sie meinten es würde wohl doch was fahren. Sie können mir sogar die Telefonnummer eines der Unternehmen geben. Da ist aber nur die Mailbox dran. Dann fangen sie an selber für mich zu telefonieren und schliesslich habe ich eine Reservierung für einen Bus, der am kommenden Tag gegen 6:30 Uhr vorbei kommen soll. Das Unternehmen wollte eigentlich nochmals anrufen, um den Platz definitiv zu bestätigen, aber der Anruf bleibt aus. Die Leute meinten, es würde aber schon ok gehen. Ich solle mich einfach am nächsten Morgen ab 6 Uhr bereit halten.

Um 6:17 Uhr kommt dann tatsächlich ein Bus mit der Aufschrift Cajamarca vorbei – da will ich hin. Aber es ist ein anderes Busunternehmen. Kurze Überlegung: Soll ich diesen Bus ziehen lassen und auf das andere Unternehmen warten? Ich entschliesse mich der Sicherheit halber in diesen Bus zu steigen, Reservierung hin oder her. Und diese Entscheidung war richtig. Wir machen längere Pausen zum Frühstücken, zum Mittagessen und kein anderer Bus kommt hinterher.

Die Fahrt ist wirklich spektakulär. Es sind zwar nur gut 300 km, aber von 1800 m geht es erst auf 3500 m hoch, dann auf 950 m runter (Mittagspause in heisser tropischer Schwüle, am Oberlauf des Flusses den ich einige Tage zuvor an meinem Geburtstag hinauf gefahren bin), dann wieder hoch auf knapp 4000 m und schliesslich runter auf 2750 m. Es geht an unbefestigten, schwinderregenden Abgründen vorbei, was besonders nervenkitzelnd ist, wenn bei Gegenverkehr f der schmalen Strasse zentimeterknapp am Abgrund entland rangiert werden muss.

Aber der Bus ist recht komfortabel und nicht voll, so dass die 12 Stunden gut machbar sind. Ausserdem lerne ich im Bus noch 3 andere Gringos kennen, mit denen ich noch die nächsten zwei Tage gemeinsam reise.:

Cajamarca haut mich jetzt nich wirlich vom Sockel. Wieder so Bergstädtchen mit ein paar Kolinalgebäuden rund um die Plaza. Aber recht wolkig, kühl und regnerisch. So verbringe ich noch einen netten Abend mit den drei anderen und entschliesse mich dann am folgenden Tag schon gleich weiter bis an die Küste zu fahren. Es sind wieder rund 300 km bis nach Trujillo, aber die gehen diesmal innerhalb von 5 Stunden.


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