Westcoast-Blues
Posted from Hokitika, West Coast, New Zealand.
Die Suche nach einem Schlafplatz verläuft an dem Abend nach der Kayaktour recht sperrig. Am liebsten würde ich auf dem Gelände schlafen, wo der Kayakanbieter seinen Schuppen hat, aber das ist kein Privatgelände und da würde ich im Nationalpark vermutlich Ärger bekommen. Der Tipp, den mir der Kayakguide gibt, entpuppt sich als wenig einladend, zumal da auch ein ziemlich drastisches, handgeschriebenes Verbotsschild hängt.
Eigentlich hätte ich ja gerne die Rückfahrt nach Te Anau gemütlich im Hellen genossen, aber jetzt treibt es mich notgedrungenermassen wieder fast 50 km zurück bis zum nächsten DOC-Campground. Auf dieser Touristenroute möchte ich nicht das Risiko eingehen illegal zu übernachten.Das kostet ziemlich sicher 200 Dollar Strafe…
Auf dem steilen Anstieg zum Tunnel geht beim Auto die Temperaturanzeige in ungesunde Höhen und es geht dann auch noch eine Warnlampe an. Mist! Sofort anhalten – abkühlen lassen, nachschauen. Ich musste eh immer mal wieder Kühlwasser nachfüllen -da scheint doch was nicht so ganz ok zu sein. Und ich möchte auf keinen Fall riskieren, dass mir die Zylinderkopfdichtung wegen Überhitzung um die Ohren fliegt. Wenn dann erst mal Wasser im Ölkreislauf und Öl im Wasserkreislauf ist, dann läuft der Motor auch nicht mehr lange, bevor er hopps geht.
Der Ausgleichtsbehälter fürs Kühlwasser ist so beschaffen, dass man in geschlossenem Zustand nicht mehr erkennen kann, wie der Füllstand ist. Also löse ich vorsichtig mit einem Lappen den Verschluss und sehe dampfende Brühe. Gutes Zeichen – es ist also noch Wasser drin. Aber dann beginnt die Brühe zu kochen und schwappt mir wie ein kleiner Geysir entgegen. Ich gehe in Deckung, um mich nicht zu verbrühen. Mist, denke ich! Aber hinterher überlege ich, dass das eigentlich ein gutes Zeichen ist, nämlich, dass die Flüssigkeit im Betrieb unter Druck steht, so dass sie erst bei 120 Grad oder mehr zu kochen beginnt. Und so lange sich Druck im Kühlsystem aufbaut, kann es mit einer eventuellen Leckage nicht so schlimm sein.
Ich fülle etwas Wasser nach und krieche vorsichtig weiter den Berg hoch. Aber alle 100 Höhenmeter geht die Warnlampe erneut an und es dauert eine Weile bis ich den Eingang des Tunnels erreicht habe, weil ich einige Pausen machen muss.
Später recherchiere ich dann im Internet und stelle fest, dass die Lampe gar nicht bezüglich Kühlwasser, sondern wegen Öl-Füllstand geleuchtet hat. Da wäre ich jetzt nicht drauf gekommen, denn am Peilstab sah es stets voll aus. Aber offenbar habe ich den falsch abgelesen, denn als ich am nächsten Tag Öl nachfülle und den nächsten steilen Berg in Angriff nehme, leuchtet keine Warnlampe…
Der Campingplatz, den ich dann um 22:30 Uhr ansteuere ist ziemlich voll, aber ich finde noch ein akzeptables Plätzchen. Es wimmelt jedoch nur so von den stechenden Sandflies – echt unangenehm.
Und dann kracht mir auch noch meine geniale Matratzenkonstruktion zusammen, die diese in einem bequemen couchartigen Winkel arretiert. Offenbar war die doch nicht unbedingt zum anlehnen ausgelegt, sondern lediglich um an die darunter liegenden Staufächer zu kommen. Mein provisorisch eingesetzter Teleleskopstock rutscht dann auch noch weg, als ich im Fach krame und macht mir erst eine Beule auf der Stirn und dann einen blutigen Nasenrücken. SCH…….!!!!! Und ich wollte schnell machen, weil ich am lebendigen Leib von Sandflies gefressen werde!
Und dann stelle ich fest, dass die Fotos die ich gemacht habe zum grossen Teil unscharf sind und stelle fest, dass das Ojektiv meiner Kamera zuviel Spiel hat und nicht mehr zuverlässig fokussiert. Dieser Kamera hatte ich bei meinem letzten Arbeitgeber als Preis für meine Kreativität gewonnen, da sich mein Vorschlag nach einem Namen fürs Intranet durchgesetzt hatte. Das diese Kamera nach fast 10000 Bildern nun den Geist aufgibt, ist für mich auch noch mal so was wie eine weitere Ablösung von dieser Firma.
Unruhige Nacht – nicht alle Sandflies im Innern erwischt, und etwas stickig gewesen bei voll geschlossenen Fenstern…
Meine Stimmung bleibt die nächten Tage schlecht und ich ziehe mich noch mehr in mich zurück. Der hippe Abenteuersportort Queenstown ödet mich an. Dort kann man skydiven, Bungee jumpen, sich im Innern eines Fasses befindlich den Berg runter rollen lassen und vermutlich auch noch Bungee jumpen während man mit einem Flugzeug Loopings fliegt….. Nichts für mich. Ausser vielleicht die sexy gekleideten Mädels, die echte Hingucker sind. Das erste Mal in Neuseeland, dass ich mich nach Mädels umdrehe. In Australien ist mir das andauernd passiert…. Aber die sind ja viel zu jung für mich, und ausserdem bin ich schlecht drauf.
In ein Hostel dort hatte ich mir meine Autoklubkarte und die Autoversicherung senden lassen. Aber die Klubkarte ist an die falsche Adresse in Christchurch gesendet worden und die Autoversicherung ist noch mit dem falschen Autokennzeichen ausgestellt- etwas was ich schon vorher reklamiert hatte…
Also noch längere Telefonate mit dem Autoklub und Zusagen, sie würden jetzt korrigieren. Das Hostel, wo ich eigentlich übernachten wollte ist ausgebucht. Also fahre ich weiter und übernachte eine Stunde weiter auf einem kostenlosen Campingplatz, der wieder voll ist mit deutschen Abiturienten.
Ich fühle mich aussen vor, nicht dazu gehörig. Weder im hippen Queenstown noch mit den Youngsters kann und will ich andocken.
Und einen Baumarkt,um mir Material zur Reparatur meiner Matratzencoach zu besorgen, finde ich auch nicht.
Aber immerhin einige Elektronikläden, so dass ich mir eine neue Kamera kaufen kann. Eine schicke Canon SX 700, die qualitativ um so einiges besser ist als die Casio die ich vorher hatte, die aber dennoch klein und kompakt ist. Fällt jemandem ein Unterschied bei den Bildern auf?
Im nächsten Ort (Wanaka) ist es genauso. Etwas weniger hipp, aber mir ist nicht nach Stadt. Und ausserdem gehen mir diese kahlen Berge auf den Keks. Nach dem spektakulären Fjordland, kann mich das hier nicht vom Sockel reissen.
Also fahre ich weiter und weiter und weiter. Es hat schon fast etwas ruhe- und rastloses. Ich finde keinen Ort, wo ich mich einfach in Frieden niederlassen möchte. Und nach Wandern ist mir auch nicht wirklich. Also fahre ich durch bis nach Haast, einem kleinen Nest an der Westküste. Ab der Paßhöhe wird es auch wieder waldreicher und die Landschaft richtig spannend. Ich absolviere die obgligarotischen Abstecher zu kleinen See, blauen Pools und Wasserfällen, aber so richtig Spaß macht es mir gerade nicht. Ich fühle mich innerlich etwas abgestumpft und die äusseren Eindrücke ziehen wie ein Kinofilm vorbei. Ich nehme sie war, aber so richtig Teil der Handlung bin ich nicht.
Der Campingplatz in Haast hat eine grosse Lounge und Wohnküche, die recht gemütlich ist. Anknüpfungspunkte mit anderen Gästen ergeben sich jedoch nicht und die Zubereitung meines Essens dauert ewig, weil ich offenbar die zwei Kochplatten erwischt habe, die nicht gescheit funktionieren.
Vorher habe ich noch ein Gespräch mit Leuten mit einem grossen Mietwohnmobil auf deren Stellplatz ich angeblich stehen würde. Sie hätten doch so ein offensichtliches Zeichen hinterlassen. Nur dumm, dass ich es nicht wahr genommen habe. Ich biete an den Platz zu wechseln, aber sie wollen sich lieber ärgern und ziehen schimpfend zu einem anderen Stellplatz.
Spät am taucht dann noch Jean aus Lyon auf, ein Hitchhiker, den ich vor einer Woche schon mal bei den Catlins gesehen habe. Er führt lange Skype-Gespräche mit Freundin und Eltern, die sich beide ziemlich schwierig anhören. Am nächsten Morgen kommen wir etwas näher ins Gespräch und wir können uns gegenseitig über Freud und Leid des Alleinreisens austauschen. Das tut gut. Ich biete ihm an ihn ein Stück mitzunehmen und wir verbringen einige Stunden miteinander – unter anderem auch bei einer netten Wanderung. Am Morgen sage ich ihm, dass ich ganz gerne mein Französisch wieder aktivieren möchte, und wir sprechen französisch miteinander. Ich komme dann auch nach einer Weile ganz gut wieder rein und er sagt mir, dass mein Französisch besser sei als sein Englisch und ich einen guten Wortschatz hätte. Und ich fühle mich so, dass ich maximal bei 50 % von dem bin, was ich in dieser Sprache mal drauf hatte. Aber immerhin führen wir mit der Zeit immer tiefere Gespräche und stellen so einige Gemeinsamkeiten fest. Er hat auch seinen Job gekündigt und macht die Reise zur Neuorientierung. Er ist Psychologe und hat bisher mit behinderten Kindern gearbeitet.
Durch die gemeinsam verbrachte Zeit geht es mir schon etwas besser. Ich setze ihn dann dort ab, wo er hin wollte und ich ziehe noch ein wenig weiter und mache eine kleine Wanderung zu einem Gletscher. Übernachten tue ich auf einem kostenlosen Campingplatz am Meer, nur 20 km vom Gletscher entfernt. Nirgendwo sonst, sind Hochgebirge (fast 4000 m Höhe) und Meer so nah zusammen. Das hat schon eine besondere Faszination. Ich bin jetzt direkt auf der Westseite des Mount Cook Gebirges, wo ich einige Wochen vorher meine Tour zur Mueller Hut gemacht hatte.
Der Campingplatz ist ziemlich voll, jedoch ist die Atmosphäre angenehm. Eher nicht so die ganz jungen Deutschen, sondern ausnahmsweise mal eine recht gute Mischung aus verschiedenen Nationalitäten. Eher so ein bischen freakiges Hippievolk mit Rastalocken. Ich bin schon wieder in Kontakt-Laune und versuche hier und dort ins Gespräch zu kommen. Es gibt sogar auch zwei jeweils alleine reisende Frauen, die mich beide anziehen, aber ich komme irgendwo nicht über einen kurzen smalltalk hinaus und beim spektakulären Sonnenuntergang am Strand, wo es schon wieder deutlich wärmer ist, als ganz unten im Süden, sitzt jeder für sich alleine. Ach ja, ich hätte sie am liebsten eingeladen sich in diesem romantischen Augenblick an mich zu lehnen….. aber die Resonanz die ich zuvor gespürt hatte, war nicht stark genug, als dass es sich stimmig angefühlt hätte, dies anzubieten…. seufz!
Am nächsten Tag strahlender Sonnenschein und beim Strandspaziergang gibt es volles Gletscherpanorama, wow!
Das ist schon toll! Meine Stimmung hellt sich mit dem Wetter auch etwas auf und ich fahre eine halbe Stunde zum Franz-Josef-Gletscher. Wer hätte das gedacht, dass ich mal zu Franz-Josef aufschauen würde? In den 80-er Jahren habe ich ihn ausgepfiffen und als perfektes Feindbild meiner linksalternativen Szene abgrundtief gehasst! Aus hessischer Sicht haben wir damals die Bayern nicht so ganz ernst genommen und aufgrund ihrers plumpen Konservativismus belächelt. Und Franz-Josef war eben DIE bayerische Ikone. Damals hätte ich mir NIE vorstellen können mal 20 Jahre in Bayern zu leben und auch noch heimatliche Gefühle dort zu entwickeln. Aber Bayern hat eben viele Seiten und das Franz-Josef-Bayern zieht sich allmählich in Reservate zurück. In den Städten ist schon nicht mehr so viel davon zu spüren…
Nach dem Gletscherausblick fahre ich noch 150 km weiter zu einem recht einsamen Wildzeltplatz am Meer. Aber so einsam ist er auch wieder nicht. Ich bin zwar der einzige Camper, aber es kurven so einige Einheimische in 4WD und Beachbuggies umeinander. Ganz schön nerviges Motor-Macho-Getue! Und mit zunehmendem Bierkonsum wird es immer doller und als es auch im Dunkeln noch nicht aufhört und sie sogar einmal ganz dicht an meinem Camper vorbei brettern, so dass der Sand nur so stiebt, da wird es mir schon etwas mulmig. Dann 15 Minuten Ruhe und ich denke schon es ist vorbei. Aber kurze Zeit darauf kommen zwei Autos mit vollaufgeblendeten Scheinwerfern langsam auf mich zugefahren. Ich bin ganz alleine 50 km von jeder Ortschaft entfernt und ohne Handynetz. Vorsichtshalber mache ich das Licht aus und verriegele von innen alle Türen. Ein 4WD fährt sich im tiefen Sand fest, keine 5 m von mir entfernt. Und wer steigt aus dem Wagen? Eine Gruppe deutscher Abiturienten 😉
Am nächsten Tag finde ich einen Baumarkt und kann meine Bettkonstruktion nicht nur reparieren sondern um mehr als das doppelte verstärken. Ich bin ganz zufrieden mit mir und auch mit dem netten Support im Baumarkt. Das Holz haben sie mir umsonst gegeben und sogar auch noch zugeschnitten, so wie ich es brauchte – ich musste nur für den Schraubenzieher, die Schrauben und Scharniere zahlen.
Morgen oder übermorgen werde ich dann beim Rainbow-Gathering landen. Ich hoffe, da kann ich dann wieder Gleichgesinnte finden, mit denen ich gerne 2-3 Wochen an einem schönen Ort verweilen und Gemeinschaft leben kann. Die Rolle des „lonesome cowboys far away from home“ darf sich mal wieder ändern..
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