Von Argentinien nach Chile: Bis ans Ende der Welt und dann noch ein Stück weiter

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Ich bin recht froh dem argentinischen Chaos zu entfliehen. Die Leute sind ja sehr nett und freundschaftlich, aber es ist alles bis zum Anschlag ausgebucht, voll, heiss, überall muss man Schlange stehen und auf nichts Organisatorisches ist Verlass, so dass die Logistik ärgerlich viel Zeit verschlingt.

Diesmal klappt es zumindest mit dem Taxi und auch der Bus fährt mit lediglich einer halben Stunde Verspätung. In Esquel angekommen, erfahre ich dass nur zweimal wöchentlich ein Bus bis zur Grenze fährt – der nächste morgen. So lange möchte ich nicht warten und hüpfe in einen lokalen Bus, der bereit steht und mich nach Trevelin bringt, immerhin 20 km weiter Richtung Grenze. Von dort sind es nur noch 40 km bis nach Chile und 50 km bis zum dem Ort Futaleufu, wo ich bereits ein Hostel reserviert habe. Das müsste doch per Autostopp machbar sein. Immerhin ist es erst 14 Uhr und die Grenze soll bis 20 Uhr geöffnet haben.

Nach fast einer Stunde Wartezeit an der Stelle, wo der Asphalt aufhört, nimmt mich doch tatsächlich jemand mit, allerdings nur bis zur nächsten Kreuzung. Ich stehe dann alleine in weiter Landschaft, weit und breit keine Autos und ich fühle mich wie am Ende der Welt:

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So alle 15 bis 30 Minuten kommt ein Auto vorbei und ich werde tatsächlich auch manchmal mitgenommen – allerdings immer nur wenige Kilometer. Die Argentinier überqueren die Grenze nicht und chilenische Autos gibt es fast keine. Nach dem letzten Dorf auf argentinischer Seite wird es ganz dünn mit dem Verkehr. Erst nach einer Stunde kommt ein Auto – aber leider fährt es vorbei. Mittlerweile ist es schon fast 18 Uhr und es fehlen mir noch 12 km bis zur Grenze. Ich habe es mir in den Kopf gesetzt heute noch bis Chile zu kommen. Ich habe ja auch kein Zelt dabei und es ziehen dunklere Wolken auf.. Also notfalls mit vollem Gepäck laufen… Das mache ich auch so ca. eine halbe Stunde lang, bis ich Glück habe und ein chilenischer Pickup-Truck nimmt mich mit. Gemeinsam mit den netten Insassen passiere ich ohne grössere Schwierigkeiten die Grenze und bin in Chile!

Was für ein Wechsel: Es gibt sahnig glatten Asphalt, statt Schlaglochpiste, die Berge sind deutlich grüner und das Wetter feuchter und nicht mehr so heiss. Am Ortsrand von Futaleufu werde ich abgesetzt und finde mich in einem kleinen, verschlafenen aber netten Nest wieder. Das überfüllte Sommerchaos, das nur wenige Kilometer östlich tobt, ist hier (noch) nicht angekommen. Freundliche Kleinstadtatmosphäre, keine Schlange am Geldautomaten, der sogar einwandfrei funktioniert…. Und das Hostel, das ich mir ausgesucht habe ist ein echter Glücksgriff. Schöne Lage, tolle Ausstattung, funktionierendes,stabiles WIFI und angenehme Leute. Es ist höchstens zur Hälfte ausgebucht und das Preis-Leistungsverhältnis passt (15 EUR/Nacht). Ich beginne mich wieder zu entspannen. Erst im Nachhinein merke ich, dass mich die Logistik in Argentinien und die Überfülltheit doch ziemlich gestresst hat. Hier gibt es sogar kostenlose Fahrräder, um die Strecke bis zum Einkaufen bequem zurück legen zu können.

Die Versorgungssituation ist hier allerdings nicht so berauschend. In den Supermärkten ist frische Ware fast nicht vorhanden – nur Konserven… Angeblich kommt so ca. 1 mal pro Woche eine Lieferung mit frischem Obst und Gemüse aus Puerto Montt an, das etliche Stunden nördlich liegt. Und wenn es kommt, dann ist es schnell ausverkauft. Die meisten Leute scheinen sich selbst ein bisschen was anzubauen hier. Aber nur für den Eigenbedarf. Das fruchtbare, warme Argentinien mit seinen vollen Supermärkten mit breiter Auswahl an frischen Produkten liegt nur eine Stunde entfernt, aber es könnte auch auf der anderen Seite eines Ozeans liegen, so wenig Austausch, wie über diese Barriere hinweg an Austausch stattfindet..

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Von hieraus will ich dann irgendwann nach Süden weiter reisen, über die caretera austral, eine Nord-Süd-Verbindungsstrasse, die erst in den 90-er Jahren gebaut wurde – aus strategischen Prestige-Gründen unter Pinochet. Auch hier gibt es nur 2 mal wöchentlich eine Busverbindung und die Orten liegen sehr weit auseinander. Das wird sicher ein Abenteuer…

Aber erst mal fühle ich mich wohl hier in Futaleufu und im Hostel, das im übrigen eine sehr interessante Architektur hat und grosse, einladende Gemeinschaftsbereiche.

Futaleufu ist eines der wichtigsten White-water-Ziele des Planeten. Mekka der Wildwasser-Kanuten und Rafting-Experten. Der Fluss gehört zu den anspruchsvollsten Touren, die man überhaupt machen kann. Für morgen habe ich mich für den grossen Adrenalin-Kick, zum Rafting angemeldet. Sollte ich das überleben, dann folgt hier an dieser Stelle übermorgen die Fortsetzung 😉

Am Vorabend gibt es ein Grillfest mit zwei Lämmern und einer Gruppe Amerikaner um Peter Fox, den Mann der es vor 30 Jahren gewagt hat als erster diesen Fluss mit einem Raft zu befahren. Just an diesem Tag ist er nach so langer Zeit wieder an den Ort des Geschehens zurück gekehrt – auf den Spuren der Vergangenheit. Ich habe Gelgenheit mit ihm zu reden und er erzählt spannende Geschichten von 1985, als sie Fluss zunächst in einem Flugzeug überflogen haben, um eine erste Orientierung zu haben – und dann allerdings immer noch nicht wussten wie viel Gefälle einige Rapids wirklich haben. Das war dann eine ausführliche Scoutarbeit vor Ort. Tollkühn fand ich, dass sie auf der ersten Fahrt sogar zahlende Passagiere dabei hatten! Er bemerkte dazu nur „We were young…“. Und später, als er gefragt wurde „Did you grow up in Colorado“ unterbracht er den Frager und sagte „…I never grew up“….ein grosser Junge von 63 Jahren….

Ich bin zwar – wie alle anderen auf dem raft – ganz ordentlich baden gegangen, aber wie ihr seht, habe ich überlebt. An verschiedenen Orten habe ich schon Rafting-Touren gemacht, aber nirgends sonst habe ich eine derartige Gewalt der Wellen gespürt, geradezu explosiv, wie sich sich plötlich senkrecht vor einem auftürmen, zwischen grossen Felsen hindurch tosen und es gibt Stellen, wo man selbst mit einer sehr guten Schwimmweste länger unter Wasser gedrückt würde, als der Atem reicht…Zahlreiche Stellen des 5. Schwierigkeitsgrades gibt es auf der 6-stufigen Skala, wobei die 6. Stufe als zu gefährlich gilt, um noch befahren werden zu können.

Die Einweisung findet erst während der Fahrt statt, da die ersten 2 km noch zahmes Wasser sind, d.h. nur etwa so wie die Isar. Der Guide, ein Spanier, scheint allerdings sehr erfahren zu sein. Er arbeitet das ganze Jahr hindurch an allen möglichen Orten der Welt.

Trotzdem verlieren wir in einer Stromschnelle die Beherrschung über das Boot. Ich weiss noch, wie ich kopfüber auf mein Gegenüber zu stürze und dann im brodelnden Wasser verschwinde. Als ich auftauchen will, was gar nicht so einfach ist, da die Orientierung wo oben und unten ist wegen der Turbulenzen doch etwas erschwert ist, stösst mein Kopf gegen etwas. Ich tauche noch mal ab und wieder auf – Mist immer noch kein Luftholen möglich. Beim dritten Versuch aufzutauchen realisieren ich, dass ich unter dem umgekippten Rift bin und erwische eine Stelle zwischen den Sitzbänken, wo sich eine Luftblase gehalten hat – uff! Das wurde aber auch Zeit.. Mit neuem Atem und Orientierung gelingt es mir in dem wilden Wasser unter dem Boot heraus zu tauchen und mich aussen halbwegs festzuhalten. Schön, wieder atmen zu können! Wir kommen in etwas ruhigeres Wasser, dem Guide gelingt es das Boot umzudrehen und uns alle unter gegenseitiger Hilfe wieder ins Boot zu bringen. Kaum sind wir drin, kommt schon die nächste Stromschnelle und die Kommandos bellen gegen das Tosen an: Volle Kraft voraus paddeln….

Der Rest der Fahrt läuft ohne Probleme ab und die Landschaft ist wunderschön. Lediglich eine Frau geht später noch über Bord, wie auf dem Video einer Fotografin festgehalten. Sie war auch zur Stelle als wir gekentert sind und hat ein paar Action-Fotos geschossen:

Futa madre!!! Das war ein feuchtfröhliches Erlebnis.

Die nächsten Tag lasse ich es in Futaleufu ruhiger angehen. Mache erst mal einen Ruhetag und dann eine interessante Wanderung – von morgens um 8 bis abends um kurz vor 11. Beeindruckende Wildnis und Einsamkeit! Keine Wegmarkierungen, etwas scout-Talend ist gefragt und keine Menschenseele sonst unterwegs. Als ich zurück ins Hostel komme, es ist schon dunkel, merke ich dass sich einige schon Sorgen gemacht hatten und mir das letzte Stück mit dem Auto entgegen gekommen sind.

Zu Anfang ging es mit dem Schiff über einen See, mit einem Boot, das 3 mal die Woche fährt zu einem abgelegenen Ort. Es waren sogar richtige Gauchos an Bord, urig und wortkarg mit ihren Pferden und Hunden. Sie sind auf dem Weg nach ihren Tieren (vacunos = Kühe) zu schauen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am nächsten Abend frage ich Peter ob er nicht noch weitere Dokus von der Pionierfahrt hat und er zeigt Videos, die sogar auf youtube sind. Allerdings stellt er den Ton aus, weil ihn die blöden Kommentare des zahlenden Gastes Dale, der gefilmt hatte, fürchterlich nerven:

 

 


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