Canada – into the wild north
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Vancouver ist zwar eine recht nette Stadt, aber es ist mir trotzdem klar, dass es mich eher in Richtung der unendlichen Weiten des Nordens zieht.
Ich erledige also was zu erledigen ist und fahre schon am übernächsten Tag nach meiner Ankunft in einem schwarzen Hyundai Elantra weiter. Dieses Fahrzeug hat die beste fuel economy von allen Mietwagen, die ich bisher hatte – gerade mal gut 5 Liter/100 km! Das ist auch einer der Faktoren, die mich dazu bewegen in den hohen Norden aufzubrechen. Andere Gründe sind die Faszination der Spuren des Goldrausches zu folgen (Yukon, Klondike, Alaska… das sind Namen aus Romanen, die ich in meiner Jugend verschlungen haben), und auch die Abende an denen es sehr spät dunkel wird.
Ich nehme den Sea to Sky Highway aus Vancouver heraus, der mich sehr bald in faszinierende Landschaften führt. Meer und hohe Berge: Die Kombi ist wirklich toll. Ich fahre durch den Ski- und Outdoorsportort Whistler hindurch über einen Pass hinweg und tauche ein in Hitze von weit über 30 Grad – und das obwohl es schon recht spät am Abend ist. Das hätte ich in Kanada nicht unbedingt erwartet. Auch nicht einen tollen Campingplatz, der von BC-Hydro vollkommen kostenfrei zur Verfügung gestellt wird, inkl. des Stausees…
Am Mittwoch geht es weiter nach Norden bis zum Fraser Lake, wo die Gemeinde ebenfalls einen guten kostenlosen Campingplatz bereit stellt. Während in Vancouver die Sonne bereits um halb 9 untergeht ist hier sogar um 10 Uhr noch ein heller Schimmer im Norden zu sehen. Und dieser Schimmer zieht mich magisch an, so dass ich mich am nächsten Tag in Riesenschritten weiter in Richtung Alaska Highway aufmache. Die Nacht war nicht wirklich gut: Alle Stunde fuhr auf der benachbarten Bahnlinie ein Güterzug mit gefühlten 200 Wagen entlang und dazwischen rückte ein Gleisbautrupp mit Flutlicht, gelb-blinkenden Warnlichtern, heulenden Motoren und regem Funkverkehr an, der in voller Lautstärke über Lautsprecher übertragen wurde.
Lange, weite Landschaften und endlose Highways, die immer leerer werden, je weiter es nach Norden geht. Auf Entfernungen von 600 km gibt es zwischendurch geradmal 3 Tankstellen mit jeweils ein paar Häusern drumherum. So wirkt es doch etwas grotesk, dass die nächsten Ziele mit Kilometer-Angaben von mehereren Hundert Kilometern angegeben werden. Toller Campingplatz in nur 487 km!
Ein asiatischer Radler, den ich treffe, erzählt mir, dass dies der highway of tears sei. Ich vermute dass das wegen des stetigen Aufs und Abs sei, so quasi aus Radlerperspektive. Aber nein, es sei, weil auf dieser Strecke zahlreiche Leute vermisst werden, die teilweise irgendwann ermordert aufgefunden wurden. So ziemlich an jeder Tankstelle hängen &Missed&-Poster… Es seien vorwiegend Frauen, die per Anhalter unterwegs gewesen seien…
Ich fange an die langen Strecken zu geniessen. Tempomat rein, das Tablet über bluetooth mit dem Autoradio koppeln und Hörbücher geniessen, während die einmalige Landschaft draussen vorbei zieht. Und bei Spritpreisen von nur 80 ct/km und einem Verbrauch von gut 5 Liter auf Hunder, kosten mich 1000 km noch nicht mal 50 EUR…
Und ich dachte schon bei Neuseeland an geringe Bevölkerungsdichte auf der Südinsel, aber Kanada toppt das ganze nochmal erheblich. Es erinnert mich von der Bevölkerungsdichte her an meine Reise durch die Sahara, aber mit dem wesentlichen Unterschied, dass das alles andere als eine Wüste ist.
Mehrmals sehe ich Bären vor mir in aller Seelenruhe die Strasse überqueren, einmal sogar eine Mutter mit Kind!
Als ich von Donnerstag auf Freitag auf der Strasse nach Stewart übernachte, habe ich Blick auf Gletscher und am nächsten Tag fahre sogar mal kurz über die Grenze nach Alaska. In gut 2 Tagen bin ich schon 1600 km gefahren. Das Wetter ist super! Die letzten 4 Wochen hätte es zwar fast ständig geregnet, aber davon ist nicht zu spüren. Die Sonne scheint ungetrübt von früh morgens bis spät am Abend und auch abend um 10 ist es jetzt noch hell genug um lesen zu können.
Ich treffen eine Menge interessante Reisende: Einen Engländer der bereits seit 5 Jahren um die Welt reist – mit dem Fahrrad! Und ein deutsches Paar, das mit einem ausgebauten Mercedes-Truck seit 10 Jahren um die Welt reist. Die beiden treffe ich auch am nächsten Tag wieder und wir kommen ausführlicher ins Gespräch und ich darf mir sogar mal das Fahrzeug von innen anschauen. Es sind einige andere Deutsche mit ausgebauten Geländefahrzeugen unterwegs. Am gleichen Tag sehe ich welche aus dem Main-Taunus-Kreis und aus Regensburg…
Und natürlich gibt es jede Menge Amis und Kanadier, die mit riesigen Wohnmobilen durch die Landschaft ziehen, meist dann noch mit einem PKW im Schlepptau, damit sie auch vor Ort beweglich sind.
Bis hoch nach Yukon möchte ich auf jeden Fal noch fahren. Wenn das Wetter so gut bleibt, dann vielleicht noch nördlicher. Allerdings höre ich, dass weiter im Norden schon die Herbstfärbung eingesetzt hat und es nachts bereits frostig wird – und das Mitte August. Wenn die Sonne scheint, ist es wunderbar, aber wenn nicht, dann wird es schnell kühl und dann würde das Zelten nicht mehr soviel Spaß machen. Schön, dass ich mich jeden Tag treiben lassen kann und immer wieder neu entscheiden kann, wo ich hin will….
Die Entscheidung nur bis Anfang September zu bleiben war die richtige! So kann ich hier die schönste Zeit mitnehmen und dann in den südamerikanischen Frühling verschwinden, wenn es hier ungemütlich wird. Und zwar ohne mich noch um einen Autoverkauf kümmern zu müssen…
Ich bin schon dabei erste Kontakte nach Peru zu knüpfen.
Südamerika wird sicherlich viel dichter mit Kontaken und extrovertierter Lebendigkeit gesegnet sein, so dass ich mir derzeit keine Sorgen mache und die undendlichen Weiten des Nordens für mich alleine gut geniessen kann.
Nachmittags mache ich lange Stopps, um die Sonne und Wärme zu geniessen und abends kann ich jetzt jeden Tag länger fahren. Es kühlt zwar abends ziemlich ab, aber die Abendstunden auf dem Highway in endlose Sonnenuntergänge hinein sind wunderbar!
Der Norden Kanadas ist eine „Erfahrung“ im wahrsten Sinne des Wortes, fahren, fahren, fahren….wie im Rausch des endlosen Highways. Wie ist es gelaufen? Wie ist es mir ergangen? Weder noch….nichts mit gehen, sondern fahren, fahren, fahren,…. Ab und zu eine kleine Pause zwischendurch an einem See oder Fluss. Wenn ich mir vergegenwärige, dass selbst an den Hauptverkehrsachsen nur alle paar Hundert Kilometer ein paar Häuser gibt, es auf dem Highway 37 auf 730 km gerade mal eine Kreuzung gibt und die nächste parallele Strasse auch Hunderte Kilometer entfernt verläuft, dann bekomme ich eine kleine Ahnung davon, welche grossflächigen, unberührten Naturlandschaften es hier noch gibt. Zwischendurch gibt es nur wenige Wege, wo man zu Fuss unterwegs sein kann. Und dann muss man mit allen möglichen wilden Tieren rechnen. Hier ist man als Mensch nur zu Gast – man hat sich die Erde noch nicht Untertan gemacht, und das ist gut so!
Wild zu zelten ist nicht wirklich ein Problem – nobody cares. Und auch die Bären sehe ich nur ab und zu tagsüber auf der Strasse, aber zum Glück machen sie mir nachts keinen Stress. Keine bärbeissigen Exemplare dabei…
An einem Wildzeltplatz treffe ich eine Gruppe von Studenten aus Alaska, die mit dem Auto von dort zu ihren Studienorten in Arizona und Texas unterwegs sind. Sie wollen die 8000 km in 10 Tagen schaffen… Sie lade mich an ihr Campfire ein und wir verbringen einen netten Abend zusammen.
Bei Watson Lake ist dann der 60. Breitengrad, der Alaska Highway und der Bundesstaat Yukon erreicht. Bis zur Hauptstadt Whitehorse am Yukon river sind es nur noch schlappe 500 km. Die reisse ich runter (fast) wie ein Trucker und schmeisse mich dann in die heissen Quellen dort in der Nähe. Was für eine Wohltat! In Whitehorese selbst gibt es eigentlich nur ein altes Yukon-Schiff aus Goldrauschzeiten zu sehen, ansonsten ein unscheinbarer, funktionaler Ort.
Ich habe es mir in den Kopf gesetzt noch bis zum Kluane National Park zu fahren und dann mal zu schauen. Die dortigen Gletscher und Seen sind beeindruckend und ich mache eine schöne mehrstündige Wanderung. Wichtig ist immer wieder die bear-awareness! Alles Essbare wegpacken, Geräusche machen beim Wandern (eine nette Rangerin, gab mir den Tipp ich solle doch einfach singen, was ich gerne aufgreife… Andere Wanderer übertreiben es etwas und rufen alle 10 Sekunden laut Heeehoooo. Andere laufen mit einem Glöckchen am Rucksack herum…
Abends zelte ich am See in der Nähe eines Campingplatzes, der sinnigerweise für Zelte gesperrt ist. Es sei Beerensaison und die Bären würden beim verspeisen dieser Beeren zu nahe kommen, so dass es gefährlich werden könnte. Den Platz 1 km weiter (kostenlos) haben mir die Studenten aus Alaska empfohlen, die dort auch gezeltet hätten. Sie erwähnten auch, dass man auf dem Campingplatz in der Nähe nicht zelten dürfte, aber verschwiegen mir warum… Ich überlege noch kurz, was ich am besten tue und entschliesse mich dann möglichst weit weg von den Beerensträuchern, direkt am Sandstrand des Sees zu zelten. No risk, no fun….Und das tue ich dann auch mit einem Million-Dollar-Blick aus dem Zelt und gänzlich unbehelligt. Ich bin fast am 62. Breitengrad und am nördlichsten Punkt meiner Reise angekommen:
Da das Wetter im Norden die nächsten Tage schlechter und kälter werden soll, entschliesse ich mich umzudrehen und auf dem Alaska-Highway wieder Richtung Süden zu fahren. Ich hatte im hohen Norden tagsüber knapp 20 Grad, kaum Regen und auch nachts war es noch über Null. Aber für die nächsten Tage soll es tags nur noch 5-8 Grad &warm& werden und zudem nass werden.
Ich finde über Facebook zwei deutsche Mädels, die eine Mitfahrgelegenheit von Whitehorse bis nach Jasper suchen (gut 2000 km) und wir treffen uns und verstehen und ganz gut, obwohl sie beide zusammen addiert nicht so alt sind wie ich…Wir einigen uns auf Orga und Kosten und sie meinten, wir müssten dann nur noch ihr Gepäck bei einer Familie abholen, bei der sie zu Gast gewesen sind. Nur dummerweise haben die beiden kein Handy und die Gastfamilie ist anscheinend gerade auf einer Farm, auf der es keinen Empfang gibt. Wir probieren immer mal wieder von meinem Handy aus, denn sie würden auf jeden Fall heute abend zurück kommen und ausserdem würde im Haus auch noch die Schwiegermutter wohnen. Wir erledigen die Einkäufe und fahren dann zu dem Haus hin. Aber es ist niemand da. Auch kein Schlüssel unterm Blumentopf zu finden. Wir warten eine Stunde und noch eine weitere und da es jetzt schon nach 19 Uhr ist beschliessen wir, dass es wohl keinen Sinn macht noch länger zu warten. Vielleicht ist was dazwischen gekommen und sie kommen erst viel später heim. Schade – und so breche ich mal wieder alleine auf. Als ich eine Stunde auf dem Highway bin kommt ein Anruf von der Gastfamilie auf mein Handy, aber jetzt kann ich nur noch die Situation schildern und sie sagt, sie wolle sich darum kümmern, dass die beiden Mädels zumindest von jemand ins Haus gelassen werden. Es hat zu regnen begonnen und es ist ziemlich ungemütlich draussen. Aber ich drehe jetzt nicht mehr um…Wenn es nicht einfach und unkompliziert sich ergibt, dann soll es eben nicht sein. Und ich habe eine Menge Hörbücher dabei, die auch keine schlechte Unterhaltung sind.
Ich fahre noch bis es dunkel wird, baue dann im Nieselregen mein Zelt auf einem Rastplatz neben dem Highway auf (auf dem zum Glück kaum Verkehr ist) und verbringe eine entspannte Nacht. Es macht sich eben doch bezahlt nicht unbedingt mit so einem Billigzelt wie in Australien und Neuseeland unterwegs zu sein. Man muss nur etwas mehr als 100 EUR ausgeben und schon hat man was, was auch noch nach 3 Monaten Dauereinsatz dicht hält. (Obwohl ich die Regentage in Nordamerika an den Fingern einer Hand abzählen kann. Dieses Jahr herrscht wirklich eine grosse Dürre und entsprechend viele Waldbrände wüten).
Am nächsten Tag geht das durchwachsene Wetter weiter und schrubbe wieder viele Hundert Kilometer runter, fahre durch endlose Landschaften und an einem Ort mit einem buchstäblichen Schilderwald vorbei. Und zwischendurch gibt es noch mal schöne heisse Quellen (Liard Hot Springs):
Abends bin ich dann schon wieder in British Columbia, kurz hinterm Muncho-Lake, wo ich auf einem Wildzeltplatz Station mache. Es liegt so einiges an Müll herum und schlammig ist es auch, aber dafür kostet es nix…Aber bei der Ankunft gibt es immerhin einen wunderbaren Regenbogen:
Am Morgen geht es dann auf dem Alaska-Highway weiter nach Südosten und bekomme einen Einblick von der Hauptfracking-Gegend in Kanada. So viel sieht man nicht: Ab und zu Bohrtürme im Wald, Gas was abgefackelt wird, Containerdörfer und ein starker LKW-Verkehr. Das meiste spielt sich unter der Erdoberfläche ab…. Aber atmosphärisch verändert sich die Wahrnehmung: Ich bin nicht mehr zu Gast in einem unberührten Wald sondern fahre durch einen industriell genutzten Wald – und das fühlt sich einfach anders an. Hinter Fort St. John finde ich an einem Fluss einen netten Platz zum Übernachten. Dort stehen schon zwei RVs und ich frage, ob es hier Privatgelände sei, was mir verbunden mit einer freundlichen Einladung verneint wird. Ein Vater mit seinen zwei Kindern ist wirklich sehr nett. Wir kommen ins Gespräch und er verwöhnt mich dann regelrecht. Erst kommt er mit einem Teller heisser Suppe daher (von meinem Thai-Curry möchte er allerdings nicht probieren), dann kommt er mit Feuerholz an und zündet mir sogar mein Campfire an und eine halbe Stunde später ist er wieder da mit frisch gepflügten Heidelbeeren mit Schlagsahne….echt nett! Er hat lange im Middle East gearbeit und sagt er sei wohl schon 100 mal in Frankfurt gewesen, allerdings nur am Flughafen zum umsteigen… Es regnet nicht mehr und die Temperaturen sind auch ganz ok.
Am folgenden Tag geht es über Prince George auf den Highway 16 Richtung Alberta. Und da zeigt mir Wikicamps (eine sehr empfehlenswerte smarphone app, die es für viele Länder gibt) unter dem Filter &Dusche und Waschmaschine& einen Farmcampingplatz, der auch noch ein gutes Review hat. Ein älteres Ehepaar (in den 60-ern aus Südengland eingewandert) ist unheimlich freundlich und nett, und auf deren schönem Platz gibt es wirklich alles, was das Travellerherz begehrt. Einen schönen Wiesenstellplatz mit eigenem Campfire (sogar das Holz ist inklusive), warme Dusche, WIFI, Waschmaschine und als Krönung für nur 2 Dollar Aufpreis einen hot whirlpool auf der der Terasse mit phantastischem Bergblick. Das war jetzt seit Vancouver meine erste warme Dusche und meine erste Gelegenheit zum Wäschewaschen. Ansonsten habe ich mich mit kalten Seen und Flüssen begnügt und auch mal etwas vor mich hingemüffelt – macht ja nix, wenn ich eh alleine im Auto sitze… Aber welch ein schönes Gefühl sauber und warm in frisch gewaschenen Klamotten zu stecken! In der Nacht schüttet es ordentlich runter, aber ich schlafe trotzdem gut und am Morgen lässt der Regen nach und macht wieder den Blick auf das Bergpanorama frei. Es hat bis auf rund 1800 m runter geschneit und die überzuckerten Berge sind ein schöner Anblick. Am Morgen mache ich ganz gemütlich, frühstücke in Ruhe, skype und erledige online-Dinge und beim Abschied komme ich noch mal lange ins Gespräch mit den Wirtsleuten…
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