Was mich an Argentinien nervt

Ich weiss nicht, ob es am Peronismus, der Korruption, an sozialistischen Idealen oder an der Mentalität liegt: Die Gesellschaft ist hochgradig ineffizient, chaotisch und so viele Dinge funktionieren nicht. Das nervt ungeheuer und es wird viel Zeit unnötig verbraten.

Das erste, was mir auffiel, war das Mobilfunknetz. Argentinien hat die schlechteste und unzuverlässigste Abdeckung von allen Ländern, die ich auf dieser Reise besucht habe. Selbst in den Aussenbezirken von grösseren Städten hat man häufig kein Netz und wenn dann ist es sehr langsam. Die Website des Mobilfunkanbieters Personal ist dermassen unstrukturiert aufgebaut, dass es unmöglich ist die grundlegenden Infos dort zu erfahren, etwa welche Datenpakete es gibt, welche Laufzeit sie haben, wieviele MB und was sie kosten. Ich bin dann extra in einen Shop des Anbieters, aber selbst der Angestellte konnte mir diese Auskunft nicht geben, weil er es auch nicht auf der Website gefunden hat. Irgendwann kam dann eine sms, als ich das erste Datenpaket verbraucht hatte, und dadurch wusste es ich es dann…

Und selbst wenn Infos auf Websites zu finden sind: In vielen Fällen sind sie nicht aktuell. Busfahrpläne, Veranstaltungen, Öffnungszeiten….allles muss man mühsam persönlich erfragen.

An vielem herrscht Knappheit, so dass sich lange Schlangen bilden: Am Geldautomaten, bei Banken, im Supermarkt (weil die Angestellten in Zeitlupe arbeiten, auch wenn 30 Leute in der Schlange stehen! Einmal habe ich ganze 27 Minuten an der Kasse angestanden um zu bezahlen, das ist Rekord….so lange hat es in keinem anderen Land der Erde gedauert! Und bei Geldautomaten ist es häufig so, dass das Geld gerade alle ist, oder unlogische Fehlermeldungen kommen, oder die Karte nicht akzeptiert wird. Argentiner vertrauen eher auf Bargeld als darauf es auf die Bank zu bringen. Es hat ja auch immer mal wieder Enteignungen gegeben, z.B. von Dollar-Konten, schlicht und einfach deshalb weil die Regierung Devissen brauchte.

Überweisungen sind auch nicht so leicht möglich, schon gar nicht von einer Bank zur anderen. Was in den meisten Ländern per app in einer Minute erledigt ist, kann in Argentinien leicht mehrere Stunden dauern. Erst an einer Bank Nummer ziehen, eine Stunde warten, Bargeld erhalten, dann zur nächsten Bank und das Spielchen beginnt von neuem.

Vieles andere ist auch umständlich. Zum Beispiel das Pfandflaschensystem. In manchen Läden bekommt man keine Flasche, wenn man nicht vorher Leergut zurück gibt, in der gleichen Anzahl. Und will man Leergut zurück geben, dann musss man nachweisen, dass man die Flasche auch dort gekauft hatte. Einmal hat es eine halbe Stunde gedauert, weil ich die Flasche in einer anderen Filiale in einer anderen Stadt abgeben wollte, Trotzdem ich den Kassenbon hatte, musste erst aufwändig telefoniert werden, ob auch alles seine Richtigkeit hat und es musste ein Formular ausgefüllt werden, unterschrieben werden, vom Filialleiter abgesegnet werden….. alles um eine Bierflasche zurück zu geben. Im Raum Buenos Aires ist es mitunter weniger schwierig, aber in der Provinz ungeheuer umständlich.

Im menschlichen Miteinander ist es zwar sehr herzlich und freundschaftlich, aber es herrscht nur sehr wenig Verbindlichkeit. Alles ist im Fluss und Verabredungen für den Abend des selben Tages oder gar für morgen werden oft nochmal geändert oder abgesagt. Wer kann schon so weit vorausplanen? Ein Argentinier machte sich mal über die Deutschen lustig: Er hätte Freunde in Deutschland, die in 4 Monaten kommen wollten und jetzt schon einen Termin abstimmen wollten. Das wäre doch vollkommen absurd…. wer könne denn wissen, was in 4 Monaten wäre?

So freundlich die Argentinier im Umgang sind….. im Strassenverkehr sind sie gnadenlos. Für Fussgänger oder Radler zu bremsen? Kommt überhaupt nicht in Frage! Selbst wenn man abbiegt wird nicht gebremst und nach Fussgängern geschaut. Als solcher hat man stets das Gefühl gejagt zu werden, wenn gerade mal wieder ein Auto um die Kurve geschossen kommt und einen zum Spurt nötigt.

Der Autoverkehr hat im übrigen die letzten 10 Jahre so stark zugenommen, dass die Lebensqualität in den Städten enorm abgenommen hat. Überall Autolärm, kein ruhiges Flanieren mehr. Das Bussystem wurde eher ausgedünnt und Fahrräder als Verkehrsmittel sind weitgehend unbekannt. Auf Langstrecken gibt es hervorragende Busse, aber in den Städten und der eigenen Region fährt man eben mit dem Auto, wenn man es sich irgendwie leisten kann.


Posted in standard by with comments disabled.
%d Bloggern gefällt das: