La familia chilena – bienvenido a Santiago!

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Antizyklisches Verhalten ist nicht nur an der Börse gut. Im Februar nach Santiago zu fahren, wenn die halbe Bevölkerung Urlaub am Strand oder in den Bergen macht, zahlt sich aus. Santiago leer – alles andere voll! Wie Paris im August.

Wie entspannt es sich anfühlte bei meiner Cousine in Buin anzukommen. Auf dem Land, eine halbe Stunde südlich von Santiago. Maritza ist mit ihren 81 Jahren noch richtig fit, in jeglicher Hinsicht. Nachdem ihr Mann verstorben ist lebt sie auf ihrem 5000 m2 Grundstück alleine mit ihren Hunden. Eine Oase der Ruhe mit Swimmingpool und allen möglichen Obstbäumen die reiche Frucht tragen. Ihre Kinder und Enkel leben jedoch alle im Grossraum Santiago, so dass in der Regel zumindest am Wochenende full house ist. Der Famileinzusammenhalt in Südamerika ist viel intensiver als in Deutschland üblich. Und es ist schön als Teil dieser Familie willkommen zu sein und höchst gastfreundlich aufgenommen zu werden.

Maritza hat eine interessante Lebensgeschichte. Ein Halbbruder meines Vater (übrigens auch ein Ingenieur, genau wie ich) war in den 20-er und 30-er Jahren viele Jahre in Chile und auch lange Zeit im argentinischen Süden, in der gleichen Gegend wie seine Schwester (deren Nachkommen ich in Argentinien besucht habe). In Chile verliebte er sich und Maritza kam auf die Welt. Als sie viereinhalb war, wollte er nur eben noch mal kurz nach Deutschland, um seine Sachen zu regeln, zurück zu kehren und wohl die Mutter seiner Tochter zu heiraten. Es war 1939…… Hitler zettelte diesen furchtbren Krieg an und er konnte nicht mehr zurück und wurde stattdessen zur Wehrmacht eingezogen. Der Kontakt nach Chile brach abrupt ab, es vergingen viele Jahre und dann kam alles anders. Die Welt dreht sich weiter – Krieg und Gefangenschaft prägen einen und er kehrt dann nicht mehr nach Chile zurück In den 70-er Jahren macht Maritza ihren Vater ausfindig und er sagt er hätte die ganze Zeit immer wieder ans Zurückkommen gedacht. Das Kinderfoto von ihr hätter er all die Jahre in seiner Brieftasche aufbewahrt und ihre Mutter sei die Liebe seines Lebens gewesen. Ihre Mutter sagt von ihm das Gleiche. Wie tragisch, dass disese Liebesgeschichte keine Fortsetzung fand! Mein Halbonkel sorgte aber immerhin dafür, dass Maritza auf eine deutsche Schule gehen kann und sie spricht auch heute noch akzentfrei deutsch, auch wenn sie neumodische Ausdrücke nicht auf deutsch weiss. Egal, Hauptsache sie hat schnelles Internet, auch wenn es bei ihr über fibra optica und nicht über Glasfaserkabel funktioniert. Und andere Ausdrücke wirken dann liebenswürdig antiquiert, z.B. wenn sie vom Schutzmann statt vom Polizisten redet…

In Gesprächen haben wir durchaus unsere Gegensätze. Ihr ist es wichtig immer wieder zu betonen, dass es unter Pinochet alles ganz prima funktioniert habe und dass Allende das Land ins Chaos geführt hätte. Sie wollen 1973 schon auswandern, hatten bereits Tickets gekauft und alles organisiert. Aber dann kam der Putsch und sie entschieden sich doch zu bleiben. Als Ende der 80-er Jahre eine Tochter als Studentin im Widerstand gegen die Militärdiktatur war, hing wohl der Haussegen mitunter schief, aber andererseits hat sie auch Freunde, die bekennende Kommunisten sein. „Man dürfe halt nur nicht über Politik reden“…

Einmal überrascht sie mich mit Musik von Konstantin Wecker, den sie genauso mag wie ich. Und der ist ja auch ein Revolozzer und kein Freund der Miliärs… Sie hört auch Ramstein, die toten Hosen und die Prinzen 😉

Direkt in Laufentfernung vom Anwesen grenzen berühmt Weinbaugebiete an. Ich ergreife die Gelegenheit und besuche eine Bodega, die immerhin 60 Millionen Flaschen im Jahr produziert:

Nach einer Woche heisst es Abschied nehmen. Eine Tochter hat sie eingeladen mit ihrer Familie zusammen in den Süden zu fahren. Ich hätte mich auch anschliessen können, aber ausgerechnet Pucon hat mich nun doch nicht so recht gezogen.

So ziehe ich zu Roberto um, der in Santiago wohnt und meinem Vater verblüffend ähnlich sieht. Er war lange Geschäftsführer in der Telekomunikationsbranche und versucht gerade als Selbständiger Fuss zu fassen, was gar nicht so einfach ist. Eine herausfordernde Situation, zumal er – verglichen mit deutschen Massstäben – einen recht gehobenen Lebensstil pflegt und seine beruflichen Bemühungen noch nicht so viel einbringen wie er eigentlich bräuchte. Eine Wohnung in einer guten Lage in Santiago, jedes Familienmitglied hat sein eigenes Auto (er selbst einen grossen Mercedes), eine Hausangestellte, die 5 Tage die Woche kommt und sogar mittags ein vorzügliches Menü kocht. Auch hier bin ich von der Gastfreundschaft dankbar beeindruckt und wie ich als Teil der Familie aufgenommen werde. Gerne würde ich mich ja auch irgendwie beteiligen, erkenntlich zeigen, aber ich bekomme keine Chance meinen Geldbeutel zu zücken. Am Sonntag machen wir einen netten Ausflug ans Meer, essen in einem tollen Seafood-Restaurant, schauen und eine ehemalige Walfangstation an und holen uns einen Sonnenbrand am Strand:

Zwischendurch besuche ich noch Freunde in der Nähe von Valparaiso – ein junges Paar, das ich vor zwei Jahren auf Hochzeitsreise in Kolumbien kennen gelernt habe. Mittlerweile haben sie einen dreimonatigen Sohn, der ebenso wie sie selbst einen glücklichen und zufriedenen Eindruck macht. Ich bleibe zwei Nächte und es gibt wieder nette Ausflüge und ein Asado am Meer, im Haus seiner Eltern….Cristians Eltern sind auch sehr nett, über den Vater bekomme ich tiefe Einblicke in den speziellen chilenischen Humor und die Mutter ist Hobbymalerin – aber auf sehr hohem Niveau, die Bilder sind klasse!

Und ich lerne speziell chilenische Ausdrücke. Mein Lieblingswort ist „te tinca?“. Das heisst einerseits „hast du Lust drauf“, aber auch mit einem touch von „was sagt deine Intuition, dein Bauchgefühl dazu?“

Aber so langsam wird es Zeit weiter zu ziehen. In Chile möchte ich im Februar nicht weiter herumreisen und meine grosse Reise in den Tropen ausklingen lassen. So werde ich am 19.02. nach Nicaragua fliegen und mich mindestens 10 Tage in einem Öko-Spiri-Projekt aufhalten. Ich bin schon gespannt, was ich dort lernen und erfahren werde. Es kann sein, dass ich dort weg vom Internet bin. Aber keine Angst – ich bin nicht verschollen, sondern hier.

 


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