Cuzco – Von den Rockies in die Anden

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Von Toronto aus wäre es näher gewesen nach Deutschland zu fliegen als nach Peru. Aber erstens hatte ich keine Lust genau dann nach Deutschland zu kommen, wenn es gerade wieder kühler wird und zweitens zieht mich Südamerika magisch an.

Seit ich für den Flug eingecheckt habe, sind die Dinge wirklich wieder gut im Flow. So easy und freundlich schon die Dame beim baggage drop-off, mit einem gewinnenden Latina-Lächeln. Und ab dem Einchecken spüre ich mein Herz freudvoll klopfen und ich bin freudig aufgeregt wieder &nach Hause& zu komme, denn so fühlt es sich ein wenig an, wieder südamerikanischen Boden zu betreten. Immerhin habe ich bereits zusammen genommen zweieinhalb der besten Jahre meines Lebens in verschiedenen Reisen und Aufenthalten in diesem Kulturkreis verbracht.

Wir haben über eine Stunde Verspätung, da wir wegen eines Gewitters in Toronto erst nicht starten können. Spontan erwische ich beim Einsteigen in den Flieger noch einen tollen Platz mit viel Beinfreiheit am Notausgang. Den spanischen Redeschwall der Stewardess kann ich nicht nur verstehen sondern ebenso fliessend beantworten. Ach es ist schön wieder diese Sprache um mich zu haben. Es ist als wenn ich nie weg war…

Der Anschlussflug nach Lima wird knapp. Wir landen nach viereinhalb Stunden in San Salvador gerade mal drei Minuten bevor der andere Flieger abheben soll. Aber alles kein Problem: Ich eile aus dem Flugzeug, frage kurz das Bodenpersonal nach dem Flieger, bekomme die Infos, dass er wartet und erfahre das Gate. Am Gate bekomme ich eine neue Boarding-Card und siehe da: Ich habe ein Upgrade in die Business-Class bekommen. Super! Bequeme Sitze und noch bevor wir zur Startbahn rollen, habe ich schon ein Gläschen Champagner intus. Wir heben ab nur 20 min nachdem ich gelandet war und ich mache mir etwas Sorgen um mein Gepäck, aber als wir nach weiteren dreieinhalb Stunden in Lima landen kommt mein Gepäck wie selbstverständlich das Band entlang geschaukelt. Das nenne ich südamerikanische Effizienz! Und das Essen und der Service in der Business-Class waren wirklich nicht übel!

Zoll, Immigration und Wiedereinchecken des Gepäcks laufen problemlos und jetzt sitze ich nachts um halb drei am Flughafen von Lima, habe ein 90 Tage Visum und schon lokale Währung in der Tasche.  Mein Anschlussflug nach Cuzco geht erst um 6 Uhr, also habe ich noch gut 3 Stunden. Der Flughafen ist angenehm, alle Restaurants und Shops haben geöffnet, es gibt alles was man so braucht, sogar free Wifi. Kein Vergleich mit dem Ankommen in den USA auf diesem toten Provinzflughafen von Honolulu. Ich bin gar nicht wirklich müde, obwohl ich wenig bis gar nicht geschlafen habe.

Dann noch eine Stunde über die Anden nach Cuzco, über schneebedeckte Berge hinweg und dann in einer abenteuerlichen Kurve an den Bergen entlang bis nach Cuzco. Morgens um 7 ist es auf 3400 m Höhe doch noch recht kühl, aber die Sonne beginnt schon zu wärmen. Immerhin bin ich nur ein kleines Stück südlich des Äquators und die Sonne hat Kraft.

Dhruva, mein Gastgeber hat mir die Infos gegeben, dass das Taxi nur 6 Soles kostet (ausserhalb des Flughafens) und so lasse ich die ersten Taxistas freundlich lächelnd stehen, die 40 Soles verlangen. Ein paar Schritte weiter bekomme ich schon Angebote für 25 Soles und dann 12. Ich finde es ein nettes Spiel und gebe lächelnd meine Kommentare…so allmählich kommen wir an den richtigen Preis dran… Ich bin schon drauf und dran das Flughafengelände zu verlassen und draussen nach einem Taxi zu winken, als ich drinnen ein Angebot für 8 Soles bekomme. Er sagt überzeugend, dass seien nur 2 mehr als draussen und ich steige ein. Zur Orientierung: 8 Soles sind etwas mehr als 2 Euro.

Wir fahren in die Altstadt und nach ein paar Umwegen habe ich dann auch das Paramatma gefunden, wo mich Dhruva erwartet. Ich beziehe ein grosses, helles Zimmer, orientiere mich etwas, mache ein kleines Nickerchen und ziehe dann schon wieder los. Für das Zimmer zahle ich noch nicht mal 50 Euro pro Woche! Für den Preis hätte ich dort, wo ich die letzten Monate war noch nicht mal ein Einzelzimmer für eine einzige Nacht bekommen.

Ich gehe ein paar Schritte und stosse auf ein nettes veganes Restaurant mit einem Mittagsmenü für 12 Soles. Salat, Brot, Suppe, Hauptgericht, Nachtisch, Getränk alles nur für 3,30 EUR. Und es schmeckt super, die Bedienung und die Atmosphäre sind angenehm. Das wird mein Stammlokal…

Ich entdecke das Healing House, ein weiteres Meditationszentrum und nehme dort spontan am Kurs Intuition und Magie teil. Ich muss zwar leider wieder auf englisch umschalten, da es von einem Engländer geleitet wird, aber die Inhalte sind wirklich gut. Wieder einen guten Platz entdeckt. Ich schlendere noch etwas durch die Gassen der Altstadt und komme wegen der Höhe etwas ins Schnaufen, aber sonst geht es mir gut. Ich bin erstaunt über meine Energie an diesem Tag. Fühlt sich an wie Rückenwind und Flow. Am Abend bin ich wieder im Healing House zum Improvisations-Tanz-Workshop. Überall nette Leute – hier fühle ich mich wohl.

Am nächsten Tag gemütlich ausschlafen, gegen Mittag gehe ich wieder ins vegane Restaurant, dann &downtown& und erstehe &un chip prepago&, eine preapaid sim card. Dhruva hat mich eingeladen am Abend zu einem Hare Krishna Event zu gehen und da ich früher als er dort bin, gehe ich schon rein und werde freundlich begrüsst. Hier fühle ich mich auch recht wohl, denn es heisst ja &wo man singt, da lass dich ruhig nieder&….und singen tun sie! Ich kenne zwar die meisten Sanskrit-Texte nicht aber beim &Hareke Krishna, Hare Rama, ..& kann ich locker mithalten. Es wird immer extatischer, Trommeln kommen dazu und schliesslich ist es ein wildes getanztes Gebet. Die Bewegung tut gut, denn der Raum ist – wie überall hier – ungeheizt und so wird es abends eben kalt. Um 23 Uhr gibt es dann köstliches vegetarisches Essen, 108 verschiedene Speisen (das ist eine heilige Zahl) und ich komme mit meinen Nachbarn ins Gespräch. Wir reden über Religion, Spiritualität, Musik…. Einer ist Musiker und er lädt mich ein am nächsten Tag zu seiner Gruppe zu kommen, die traditionelle musica andina spielen.

Den nächsten Tag wache ich mit Kopfschmerzen und etwas Rumoren im Bauch auf und bleibe erst mal im Bett. Die Anpassung ans Klima fordert dann wohl doch noch seinen Tribut. Ich döse vor mich hin, trinke den obligatorischen Kokablättertee, lese, surfe im Internet, sonne mich und habe dabei längere interessante Gepräche über Spiritualität mit Dhruva. Am Nachmittag geht es schon etwas besser und ich gehe zu dem Platz, wo die Musikgruppe spielt. Es ist kein Konzert, sondern sie nutzen eher einen öffentlichen Platz als Probenraum, so wie etliche anderen auch. Ein nettes Sonntagsvergnügen. Es gibt auch eine grosse Tanzgruppe. Ich werde freundlich begrüsst und ehe ich mich recht besinne, habe ich auch eine Panflöte in der Hand und darf mitspielen. Nach einiger Zeit bekomme ich auch tatsächlich vernünftige Töne heraus und ich bekomme in den Spielpausen noch ein paar Tricks gezeigt. So musiziere ich mit der netten Gruppe eine Stunde, bis ich mich in der Abenddämmerung verabschiede, von den Männern mit Handschlag, von den Mädels mit Wangenkuss. Ein schönes Erlebnis. Ich habe auf dem Platz und in der Gruppe keinen anderen Ausländer gesehen und fühle mich von den Einheimischen freundlich integriert.

Danach suche ich eine Weile nach eine vegetarischen Restaurant, das ich empfohlen bekomme habe, um dann schliesslich festzustellen, dass die abends geschlossen haben.

Ich lande dann an einem Single-Katzentisch in einem eher touristischen Restaurant, wo nur Ausländer sind und wo der Service und das Essen nicht besonders sind. Es bestärkt mich, dass es schöner ist in die lokale Eso-Spiri-Szene einzutauchen, als einen auf Touri zu machen. Und ich bin froh, dass ich den Inka-Trail und Machu Pichu schon vor mehr als 20 Jahren gesehen habe, als im Lande noch mehr Terroristen als Touristen waren und ich die Magie des Ortes ungestört geniessen konnte. Heute ist es ein richtiges Massengeschäft und Leute die dort waren, zeigten sich eher enttäuscht von dem ganzen Rummel.

Ich bin mal wieder in einer ganz anderen Welt gelandet, die mir aber sehr entspricht. In den USA und Kanada ist vieles im Lebensstil so künstlich und luxuriös. Hier ist es einfacher und ursprünglicher und die Menschen sind sehr herzlich und freundlich. Und es fühlt sich gut an meine Essgewohheiten radikal zu ändern. Weg von fast food, Kaffee, Alkohol – hin zu veganem Essen, frischem Gemüse von den Kleinbauern, die auf der Strasse sitzen und kein Geld haben Pestizide und Kunstdünger zu kaufen – also quasi Bioqualität. Und so günstig! Eine wunderbare Avocado oder Mango kostet gerade mal ein Zehntel von dem, was sie in USA gekostet hat. Und Genmanipulation ist in Peru verboten! Da ist dieses Land ein Vorreiter, sogar noch vor Schottland und Deutschland, die sich erst kürzlich angeschlossen haben. Wie gut Monsanto und Co den Stinkefinger zu zeigen!

Ich merke, wie sich in mir so einiges entspannt, ich wieder mehr bei mir ankomme. Die gesunde Ernährung, Wiederaufnahme meiner Meditationspraxis und die authentische Atmosphäre hier tun ihr übriges.

Einige Tage später:

Inzwischen bin ich schon ganz gut in Cuzco angekommen und auch die Umstellung auf die Höhe hat funktioniert. Gestern bin ich bis auf fast 3800 m hoch gelaufen zu einem schönen Aussichtspunkt oberhalb der Stadt mit alten Inka-Ruinen, genannt „Sacsayhuaman“. Eine Israelin, die ich heute traf, nannte diese archaelogische Stätte etwas verunglimpfend „sexywoman“, phonetisch ziemlich gleich und so kann ich mir den Namen endlich auch merken 😉 So nahe am Äquator konnte ich in dieser Höhenlage jedoch in saftigem Gras sitzen, im Schatten von Pappeln, da es in der Sonne am Nachmittag noch richtig heiss war. Und natürlich ist die Sonne hier oben sehr intensiv. Interessant, dass auf 4000 m Höhe noch Laubbäume zu finden sind und auf 3000 m Bananan wachsen..

Mit der Eingewöhnung, habe ich noch etwas reingespürt, was ich nun eigentlich in Peru anfangen möchte. Ich möchte auf jeden Fall noch etwas in der Gegend bleiben und unter Leute kommen. Und so habe ich heute entschieden, dass ich mich ab Freitag im Healing-House einquartieren werde. Das ist wirklich eine nette intenional community und ich bin die letzten Tage anlässlich einiger interessanter Workshops eh schon ein und ausgegangen und habe nette Leute kennen gelernt. Bei Dhruva ist es zwar auch nett, aber da bin ich doch wieder überwiegend nur für mich alleine und mir ist eher nach Connections mit Leuten. Und die finde ich im Healing House definitiv. Ich habe heute die Sache dort klar gemacht, habe mir ein schönes Zimmer reserviert und bin dann gleich zum Potluck-Lunch eingeladen worden und zum wöchentlichen Gemeinschaftsmeeting. Siehe da, wir sind den common ground der Findhorn Gemeinschaft in Schottland durchgegangen – dort wo ich auch schon mal sehr positive Gemeinschaftserlebnisse hatte. Die Welt ist klein…

Ich bin jedenfalls heute den ganzen Tag dort geblieben, hatte nette Gespräche, einen interessanten Workshop zum Thema gratitude und habe mich sogar in Akroyoga versucht. Ich glaube ich bin da einem guten Platz mit guten Leuten angekommen und es könnte sein, dass ich dort durchaus auch länger als eine Woche bleiben werde. Ich erfahre allerdings auch mit der Zeit von immer mehr interessanten Orten, Dingen, Schamanen, Zeremonien….so dass ich schon eine Idee habe, wo ich als nächstes hinfahren könnte. Aber das ist noch nicht dran. Zunächst mal habe ich es verdient mal wieder ordentlich Gemeinschaftsleben aufzusaugen und mich integriert zu fühlen, nach all den Wochen des lonesome-cowboy-feeling in USA und Kanada..

Südamerika fühlt sich jedenfalls richtig gut an, aber das hatte ich mir schon fast gedacht. Es ist eben so was wie eine zweite Heimat und es gibt so vieles was ich an der hiesigen Kultur sehr schätze.

Die katholische Religion spielt nach wie vor eine wichtige Rolle, aber teils nur sehr oberflächlich. Eines Tages gerate ich in eine Prozession hinein, die zu Ehren irgendeiner Jungfrau (…..da sieht man mal wieder die pädophilen Neigungen der Kirche..wer interessiert sich sonst schon für Jungfrauen?) abgehalten wird. Aber es wirkt eher wie ein ausgelassenes Strassenfest, wenn nicht gar wie Karneval. Der Anlass ist einfach eine Gelegenheit zu feiern und auch ordentlich zu trinken….

Insgesamt eine recht vielfältige Veranstaltung und definitiv nicht für Touristen inszeniert:

 

Inzwischen bin ich ein paar Tage im Healing House und merke, dass es eine gute Entscheidung war. Es ist zwar nicht so wahnsinnig viel los, aber ich habe immer mal wieder gute Gespräche zwischendurch.

Eine kleine Herausforderung hatte ich, als ich mich freiwillig gemeldet habe, beim Sonntagsbrunch mitzuhelfen. Es stellte sich nämlich heraus, dass ich der einzige bin….. Ich habe einige Leute gefragt, ob sie mir helfen, aber so richtiges Interesse war nicht vorhanden. Und dann habe ich noch gesehen, aus welchen Zutaten der Brunch bereitet werden sollte (Spenden von Einheimischen, die dafür kostenlose Behandlungen erhalten)…. und da sah ich nur eine bunte Mischung aus Obst und Gemüse, aber nicht die üblichen Sachen, aus denen ich einen Brunch gezaubert hätte. Und dann die Info, dass ich schon noch Sachen einkaufen könne, die fehlen, aber das Budget betrage nur 10, maximal 15 Soles….(2-3 EUR). Na toll! Dann kam noch dazu, dass ich nicht so fit fühlte (leichte Erkältung und etwas Magenprobleme), so dass ich schon drauf und dran war abzusagen, obwohl es gar nicht in meine Arbeitsethik passt übernommene Aufgaben schleifen zu lassen. Ich wollte es dennoch irgendwie durchziehen, begann Listen zu erstellen, wie denn diese Aufgabe zufriedenstellend zu lösen sei. Und dann am Vortag sagt mir jemand, ich solle doch mal Angela treffen, eine Brasilianerin, die den Brunch schon mehrfach gemanagt hätte. Ich mache sie tatsächlich ausfindig und werde sogleich mit fröhlichem brasilianischem Improvisationstalent konfrontiert. Sie sagte, das sei alles kein Thema, sie macht gerne mit, wir treffen uns einfach morgen um 9 und schauen was da ist und kriegen da schon was hin. Und wenn nicht, dann ist noch Zeit was zu kaufen. Deutsche Vorgehensweise versus brasilianische…. Ich bin gespannt. Am nächsten Tag ist sie tatsächlich schon um kurz vor halb zehn da und ich merke, dass sie durchaus eine Ahnung vom Impro-Kochen hat. Ruckzuck ist eine Idee gefunden, was sich mit den vorhandenen Sachen anstellen lässt und ich mache dabei eher den Handlanger und mache nur Vorschläge zu ein paar Details. Und siehe da: Die Arbeit zusammen macht richtig Spaß, wir unterhalten uns prächtig,  zaubern sehr leckere gesunde Sachen und sind sogar genau rechtzeitig um 11:30 Uhr fertig!

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Die gesunde Ernährung tut richtig gut. Goodbye fastfood – bienvenenida nutricion sana! Ich mache mich schlau über schamanische Rituale, die diverse Heilpflanzen einsetzen und merke, dass die vegane Ernährung ohne Kaffee, Alkohol, Fett eine gute Vorbereitung ist. Das motiviert mich zusätzlich….

Einige Tage später: Trotz gesunder Ernährung hat es mich jetzt doch etwas mit Erkältung und auch Magenirritationen erwischt. Letzteres vielleicht weil ich die ersten Tage einfach das Leitungswasser getrunken habe. Würde ich in Peru nicht generell machen, aber ich dachte bei der Höhenlage können nicht so viele Keime drin sein und ausserdem sah es gut aus und schmeckte auch gut. Nun ja, jetzt bin ich erst mal zu gefiltertem Wasser gewechselt… Und die Kälte hier in Cuzco geht mir etwas auf den Keks. Mein Zimmer wird nie richtig warm – Heizung gibt es nicht.

So habe ich die letzten Tage recht langsam gemacht und mich erholt.

Ab Freitag werde ich dann runter ins Valle Sagrado ziehen, das liegt „nur“ 2800 m hoch und ist deutlich wärmer.


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