Senk ju for tschusing Indian Railways

wpid-wp-1414687935061.jpegAnfang September habe ich mich bei Indian Railways als User registriert und da man dort nicht ohne indische Kreditkarte und indisches Mobiltelefon buchen darf, habe ich parallel dazu noch eine Registrierung bei cleartrip vorgenommen, die beiden accounts miteinander verlinkt, die cleartrip-app heruntergeladen und schwuppdiwupp konnte ich einige Tage später auch schon Fahrkarten buchen;-)

Buchen? Na ja…. Ich konnte mich für den 26.10. quasi auf die Warteliste setzen lassen. In der gewählten Klasse landete ich auf Platz 9 der Warteliste. Es ist an dieser Stelle zu bemerken, dass alle Züge eigentlich grundsätzlich ausgebucht sind und man sich also rechtzeitig kümmern muss, es sein denn man ersteht einen Tag vorher die sogenannten „Tatkal-Quota“, die ab 10 Uhr morgens freigeschaltet wird. Der Tipp eines Inders war, alles schon vor 10 Uhr online auszufüllen und exakt um 10 Uhr auf Senden zu klicken. Da gäbe es dann zwar viel traffic auf dem Server, aber wenn man nicht rausfliegt, hat man so ganz gute Chancen. Blöd ist nur, dass es auf dieser Website nicht ohne indische Kreditkarte geht und die Freischaltung auf cleartrip erst ab 12 Uhr erfolgt. Da ist die Sache dann schon gelaufen.

Da sich an meinem Waitlist-Status bis zum Vortag nichts geändert hat, versuche ich mein Glück über Tatkal-Quote. Doch ich lande nur auf Platz 14 der Tatkal-Warteliste. Eigentlich möchte ich nicht noch weiter in Rishikesh rumhängen und auf 15 Stunden holprige Nachtbusfahrt habe ich auch keine Lust bis nach Jaipur.

Also checke ich halbstündlich meinen sogenannten PNR-Status. Es sieht finster aus. Ich entdecke, dass es einen Blog gibt, wo man seine PNR-Nummer posten kann und die User-Community dann Vorhersagen abgibt, ob man noch auf „confirmed“ rutscht oder nicht. Ich poste und nur wenige Minuten später habe ich so einige Antworten. Bei Tatkal bin ich zwar auf Platz 10 gerutscht, aber die Community sagt, ich hätte keine Chance. 10 Antworten und alle negativ. Aber bei dem regulären Ticket sind die Aussichten zumindest 50/50 % geteilt….

Und siehe da, ca. 4 Stunden vor Abfahrt des Zuges in der 1 h entfernten Nachbarstadt tut sich was. Ich rusche von waitlist auf „RAC“.What the hell ist this? Dr. Google weiss rat und erklärt mir ausführlich, dass ich durch RAC auf jeden Fall schon mal einen Sitzplatz ergattert hätte. Es heisst „reservation against cancellation“. Das ist doch schon mal was! Ich mache mich also auf nach Haridwar Richtung Bahnhof und checke immer wieder die app, die beharrlich auf RAC 4 stehen bleibt. Oh je, das war es dann mit meinen schönen Schlafwagenplatz. Aber als ich am Bahnhof ankomme, ca. 1,5 Stunden vor Abfahrt, springt der Status auf der app auf einmal doch auf „confirmed“- juchu! Und ausserdem sagt es „chart prepared“, d.h es ist jetzt final. Das besondere am indischen Zugsystem ist, dass Stornierungen noch bis kurz vor Abfahrt des Zuges für weniger als 1 EUR möglich sind. Das erklärt, warum man oft erst in letzter Minute weiss, ob und wie man reisen kann oder nicht.

wpid-wp-1414687904536.jpegAm Bahnhof stellt sich die Frage wo denn nun mein „prepared chart“ ist? Ich frage mich durch und erfahre, dass der Zug ab Gleis 6 fährt. Die Lautsprecherdurchsagen und Anzeigetafeln blieben mir undurchsichtig…. Aber wo ist Gleis 6? Hier gibt es doch nur die Gleise 1-5? Es stellt sich aus, dass die Gleise 6-8 in einem Parallelbahnhof ca. 500 m entfernt sind. Dieser Teil ist jedoch unbeleuchtet, die Gehwegplatten sehen aus wie nach einem Erdbeben und Sitzgelegenheiten gibt es keine. Aber hurra, ich finde meinen Zug! Die Beschriftung ist nur auf Hindi, aber voneinander unabhängige Quellen bestätigen mir die Richtigkeit. Im Halbdunkeln stolpere ich den Bahnsteig entlang, und der gefühlte 34. Wagen ist dann tatsächlich die gewünschte Klasse. Aber noch verschlossen und alles dunkel im Zug. Ich treffe einen Geschäftsmann aus Delhi, der auch die Komfortklasse gebucht hat und alles ist gut. Ich packe nun meine Stirnlampe aus und nehme den Wagen näher in Augenschein. Und tatsächlich finde ich an der Wagentür einen Nadeldruckerausdruck mit seitlichen Lochstreifen (das es sowas noch gibt!) und bei Platz Nr. 31 erkenne ich im Licht der Stirnlampe tatsächlich meinen Namen! Umständliches System, aber irgendwie funktioniert es doch! Von dem Geschäftsmann bekomme ich ungefragt einen ausführlichen Bericht über die indische Korruption. Er geht soweit zu behaupten, dass Regionalpolitker Naturkatastrophen lieben. Dann gibt es Geld von der Zentralregierung von denen höchstens 20 % medienwirksam bei den Betroffenen landen. Und mit den restlichen 80 % lässt es sich ja privat ganz gut leben…Da Ravi mir ganz ähnliche Geschichten erzählt hat, bin ich sogar bereit ihm Glauben zu schenken.

20 Minuten vor Abfahrt werden die Türen des Wagens geöffnet und mein Schlafwagenplatz ist eine bequeme Liege mit Decke und Laken. Alles schön weich und sauber. Von meinen Abteilnachbarn werde ich eingeladen ihr mitgebrachtes Abendessen mit Ihnen zu teilen. Es gibt Chai zu kaufen und ich besorge auch noch ein warmes Essen von einem fliegenden Händler (Quatsch „fliegend“, er ging ganz normal den Gang im Zug entlang…“)

wpid-wp-1414687950593.jpegIch werde sanft in den Schlaf geschaukelt und wache erst zum Sonnenaufgang auf, 1 Stunde vor Jaipur, das wir einigermassen pünktlich erreichen, zumdindest auch nicht mit mehr Verspätung als der Durchschnitt bei der deutschen Bahn.

Ich vermisse die Ansagen im Zug, aber schliesslich sieht man ja an den Schildern, wo man gerade ist und ansonsten kann man fragen oder wenn alle Stricke reissen, sagt das GPS auf dem handy schon wo man ist…

Senk ju for tschusing Indian Railways!

Einen interessanten Link mit weiteren Infos zum Abenteuer Bahnfahren in Indien gibt es hier.


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